Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
rot färben, und ich hätte Schwierigkeiten, mich von Monsignore absolvieren zu lassen.«
Dieser sogenannte Mönch war eher vertraut mit Waffen als mit Litaneien und Stoßgebeten. Der grobe Dolch drückte genau zwischen zwei Rippen, merkte Ferruccio. Mit dem richtigen Druck, und ohne ihm einen Schlag versetzen zu müssen, würde er Ferruccio genau ins Herz treffen. Es war jedoch nicht an ihm, die Entscheidung für den tödlichen Stich zu treffen – er war nur der Vollstrecker. Ferruccio musste den Befehl in den Augen Giovannis de’ Medici suchen. Und in diesen Augen suchte er auch die Antwort auf seine stumme Frage.
»Ihre Ergebenheit übertrifft zuweilen die Grenzen des Anstandes, Ferruccio«, sagte Giovanni milde und lächelte seinen Schergen zu. »Aber sie kennen deinen Ruf. Vertrau mir einfach – alles wird gut: Ich werde Papst sein, die Welt wird Frieden finden, und du und deine schöne Leonora, ihr werdet reich sein. Vorsorglich wird sie jedoch – bis alles vollbracht ist – unser Gast sein. Wir werden uns, wenn alles überstanden ist, in Rom wiedersehen. Heute ist die Wölfin Roms nicht halb so gefährlich wie die Lilie von Florenz – und ich werde sicherstellen, sei dir dessen gewiss, dass man mich nach Rom gehen lässt. Alles wird am Ende genau so sein, wie es der Herr entschieden hat.«
Während der Kardinal die Segensgeste andeutete, drückte der Mönch die Klinge so tief zwischen Ferruccios Rippen, dass er gezwungen war, sich vor Giovanni zu verbeugen. Er war so zornig und gleichzeitig so verzweifelt, dass ihm der Atem stockte. Sie konnten ihm alles nehmen – aber nicht seine Leonora. Sie war die einzig verwundbare Stelle seiner Rüstung, der Sinn seines Lebens, seine Zukunft. Nein, nicht Leonora! Die Hitze, der Hass und die Anstrengung stürmten auf ihn ein, während sein Hirn verzweifelt nach einem Ausweg suchte.
»Ja, ich weiß, wenn du es könntest, würdest du mich jetzt am liebsten umbringen«, spottete Giovanni. »Und so leid es mir auch tut – aber ich kann kein Risiko eingehen. Natürlich darfst du mit niemandem darüber sprechen. Angenommen, man schenkte dir Glauben oder man versuchte sogar, dir zu helfen, dann würde Leonora beim ersten Anzeichen im Nichts verschwinden – aus reiner Vorsicht selbstverständlich. Sie ist unser Pfand. Du weißt, wovon ich rede, und verstehst mich, dessen bin ich mir sicher. Als du meinem Vater noch treu ergeben warst, hast du unzählige solcher Situationen erlebt. Ich garantiere dir bei meiner Ehre, dass ihr niemand auch nur ein Haar krümmen wird.«
»Ehre? Welche Ehre? Das schlimmste Verbrechen …«
Die Worte erstickten in seinem Mund, denn Ferruccios Körper zitterte so sehr, dass er nicht mehr sprechen konnte. Schmerz und Ungläubigkeit mischten sich mit Hass, Wut und Ohnmacht. Gefühl und Verstand bekämpften sich unerbittlich und flüsterten ihm ohne Unterlass ihre Botschaften zu.
Das Delirium seiner Gedanken wurde von Schreien und den Geräuschen trampelnder Füße unterbrochen, die von der Straße herkamen. Einen Augenblick später erschien ein Mann im Kreuzgang.
»Sie haben den Mönch erschlagen!«, schrie er. »Ganz Florenz hat sich erhoben! Seid wachsam!«
Mit gebieterischer Geste befahl der Kardinal ihm näher zu kommen. Und tatsächlich war die Freude des Fremden, eine solche Neuigkeit zu überbringen, größer als die Vorsicht. Als der Mann in Reichweite war, packte ihn der gedungene Mönch am Hals und zwang ihn in die Knie.
»Hab keine Angst, mein Sohn, und sage mir, was du gesehen und gehört hast«, befahl der Kardinal, und seine Stimme klang so autoritär, dass der Gefangene sofort zu berichten begann.
»Vater Girolamo hielt seine Predigt in San Marco, die wie immer voller Volk war. Plötzlich rief eine Gruppe der Arrabbiati und Compagnacci – Spinis Leute, Ihr kennt ihn, ein schlechter Mann – zum Angriff auf die Kanzel. Sie schwangen Eselsknochen und Knüppel und stürmten los, doch Gott hielt sie nicht mit seinen Blitzen auf …« Der Mann redete wie ein Wasserfall.
»Er musste an Wichtigeres denken«, kommentierte Giovanni.
»Sicher, Exzellenz. Sie schlugen um sich wie Bestien, und zahllose Mönche fielen tot zu Boden und verspritzten Blut wie aufgeschlitzte Schweine.«
»Was du nicht sagst!«
»Dann gab es die, die durch die Tür hinaus-, und die, die durch sie hineinwollten – so wie die Mitbrüder des Bruders. Also, am Ende sind sie alle vor der Kirche gelandet und zu fünft oder zu fünfzigst haben sie sich
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