Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
hatte in beiden Fällen ins Schwarze getroffen.
»Ich werde von dem Kräutermischer verlangen, sein Duftwasser zurückzunehmen und mir wieder das mit Moschus zu geben.«
»Wenigstens riechst du dann wie ein ganzer Kerl.«
Rodrigo Borgia legte seine Schwanenfeder auf den Tisch und wischte den Federkiel sorgsam mit einem Leinentüchlein ab.
»Wenn er weich wird, taugt er nicht mehr.«
»Ich sehe, Ihr seid unruhig – gibt es heute keine Mägde oder edlen Damen, die Euch zu Diensten sein könnten?«
»Später, Cesare, später. Ich habe gestern mit deinem Bruder Juan gesprochen.« Alexander stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch. »Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Als ich ihm andeutete, dass wir uns vollkommen auf ihn und seine Milizen verlassen müssten, wenn wir das Königreich ausrufen wollen, hat er mir zu verstehen gegeben, dass er dafür nicht garantieren kann. Verstehst du, was das bedeutet?«
Cesare setzte sich vor seinen Vater an den Tisch und begann, an den dürren Daunen des Federkiels herumzuspielen.
»Er hat mir gesagt«, fuhr der Papst immer ungehaltener fort, »dass er sich zuerst mit seinem Bruder Jofré und seinem königlichen Schwiegervater besprechen müsse – um dann das Plazet seitens Kastiliens zu erhalten, erst dann könne er die Allianz mit dem Königreich Neapel im Süden sichern.«
»Das ist unmöglich!« Unter dem verärgerten Blick seines Vaters zerbrach der Federkiel zwischen Cesars Fingern. »Innerhalb weniger Tage stünde halb Europa gegen uns. Maximilian als Erster und dann Valois, der auch noch die Möglichkeit hätte zurückzukehren. Er könnte es gar wagen, ein Konzil für ein neues Konklave einzuberufen. Juan ist des Wahnsinns!«
»Wir müssen unsere inneren Grenzen so festigen, dass Spoleto und Rimini uns fürchten. Mit den Herzogtümern Ferrara, Mantua und Modena und der Republik Siena kriegen wir das Großherzogtum an den Hals. Die Medici sind dann aus dem Spiel, und um Savonarola werden sich die Florentiner kümmern, die uns wie Befreier feiern werden!« Der Papst biss die Zähne zusammen, und seine Stimme wurde rau: »Aber Juan ist sich nicht sicher. Er zweifelt, nein, mehr noch: Er hat sich ausdrücklich gegen mich gestellt.«
Ein paar Minuten lang blieben beide still, bis der Papst seinen Sohn ansah. Cesares Blick sagte, dass er verstanden habe. Er suchte ein letztes Mal die endgültige Zustimmung seines Vaters, und als er vermeinte, sie zu haben, erhob er sich.
»Warte!«, sagte sein Vater und hielt Cesare am Arm fest. »Er ist mein Fleisch und Blut, genau wie du. Ihr seid meine beiden Arme.«
Cesare betrachtete die tiefliegenden Augenhöhlen seines Vaters, die von Fett umgeben waren, das feiste Gesicht, das direkt auf dem Körper zu sitzen schien, und vor allen Dingen die mit rotbraunen Altersflecken übersäte Hand. Sein Vater war nicht wirklich alt, aber eindeutig zu alt für seine Vorlieben: Was er bisher immer mit Gier und Energie getan hatte, vollbrachte er mittlerweile nur noch mit einem Keuchen. Und er, Cesare, würde König! Aut Caesar aut nihil . Imperator oder nichts.
»Vater, wenn ein Arm fault, muss er abgetrennt werden, sonst stirbt der ganze Körper.«
17
Rom, 14. Juni 1497, Palazzo Borgia,
San Pietro in Vincoli
Befriedigt verließ Vannozza den Prinzen von Anhalt, den Botschafter Kaiser Maximilians. Als er der Gastgeberin bei seinem Antrittsbesuch zugeflüstert hatte, dass seine Fleischeslust für sie entbrannt sei, hatte sie zögerlich reagiert. Mit fünfundfünfzig Jahren war sie immer noch eine attraktive Frau, und nur zu gerne hätte sie sich diesem jungen Krieger hingegeben, doch sie hatte Angst, sich damit Rodrigo zum Feind zu machen. Nun aber, da Giulia Farnese mit ihrem Gatten in Carbognano weilte, weit weg vom Papst, würde Vannozza die eine oder andere Gelegenheit haben, das Feuer der alten Leidenschaft neu zu entfachen, das weder in ihr noch in ihm je ganz verloschen war. Allein die Erinnerung an seine Manneskraft löste immer noch eine Gänsehaut bei ihr aus.
Zwischen den Weinreben flanierten gutgelaunte Kardinäle und Botschafter. Aus dem fröhlichen Kichern der Frauen wurde Gelächter, das ab und an für ein Kompliment verstummte, um dann umso heftiger wieder auszubrechen. Die Kaninchenställe waren geöffnet worden, und mehr als ein Tierchen wurde an den Ohren hochgehoben, jedoch sogleich wieder abgesetzt, wenn die Damen so taten, als würden sie deswegen Tränen vergießen. Vannozza wich einer jungen Wachtel aus, die
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