Das Vermächtnis des Martí Barbany
gab, weswegen sich diese Orte besonders dafür eigneten, dass die Freunde fremden Eigentums in dunklen Nächten ihre Gewalttaten verübten. Florinda wusste, dass ihr Erfolg zum großen Teil darauf beruhte, was ihre Besucher ausplauderten, denn ihr feines Gespür ersetzte mehr als ausreichend ihr fehlendes Sehvermögen, und als Delfín zu ihr kam, ohne dass er selbstverständlich etwas über die Person sagte, die ihre Dienste verlangte, nutzte die geschickte Frau diese Gelegenheit, um dennoch so viel wie möglich über ihre zukünftige Kundin zu erfahren.
»Da Ihr mir nicht sagt, wer meine Dienste beansprucht, unterrichtet mich wenigstens, welche Sorgen diese Person hat, damit ich mir einige Dinge beschaffe, die mir helfen, gewisse Übel zu heilen, sodass sie sich nicht umsonst auf den Weg macht, weil Ihr nicht im Voraus daran gedacht habt.«
Der Zwerg blieb misstrauisch.
»Niemand hat über Euren Preis diskutiert, der übrigens nicht gering ist, aber es ist unumgänglich, dass die Frau verschleiert zu Euch kommt. Es würde ihr nämlich ungeheuer schaden, wenn man sie erkennt.«
»Geht es darum, eine Schwangerschaft zu unterbrechen? Die Mittel, die ich dafür brauche, habe ich nicht gleich bei der Hand.«
»Es geht genau um das Gegenteil, und lasst mich nicht mehr als nötig reden. Man wird Euch im richtigen Augenblick mitteilen, was notwendig ist.«
Und damit trennten sie sich, nachdem sie Nacht und Zeitpunkt festgelegt hatten.
Es war schon an sich gefährlich, das Schloss zu verlassen, und dazu kam, dass sie sich vermummen mussten, dass die Zeit ungewöhnlich war und sie keine Eskorte dabei hatten. Delfín hatte das Abenteuer geplant, wobei er sich geradezu übertrieben um jede Einzelheit kümmerte, und die großzügig gefüllte Börse, die ihm die Gräfin mitgegeben hatte, trug zum Erfolg bei.
Die Palastwache machte einen regelmäßigen Rundgang, und ihr Führer lief an der Spitze der Männer die Posten ab, die sie ablösen sollten. Die Wachen verteilten sich an der Mauer und kümmerten sich auch um alle Schlossausgänge. Delfín erfuhr bei einer Würfelrunde mit den Soldaten, dass ein Posten die zweite Wache an einem Türchen übernahm, das zum Hinterausgang des Schlosses führte. Der Mann war in einer Geldverlegenheit und gerade zum dritten Mal Vater geworden. Darum sprach Delfín ihn im richtigen Moment an und schlug ihm einen Handel vor.
»Gebt acht, Oleguer. Wenn Ihr mir den Gefallen tun könnt, um den ich Euch bitte, wäre ich Euch ewig dankbar.«
»Wenn es in meiner Macht steht und ich mich keiner Gefahr aussetze, könnten wir darüber reden.«
»Passt auf, ich bin der Diener eines Schlüsselverwalters, und nun ist es so, dass er sich als verheirateter Mann in eine Wirtshaustochter vernarrt hat, und obwohl er Kammerdienst hat, möchte er zur Kompletstunde
diskret das Schloss verlassen, ohne dass es dem in der Nacht diensttuenden Offizier auffällt, und später zurückkommen, bevor sein Herr etwas von ihm haben möchte.«
»Und was geht mich dieser Handel an?«
»Ihr bezieht Euren Posten zur Kompletstunde und werdet zur Matutin abgelöst. Nachdem Ihr in der Wachstube ausgeruht habt, beginnt Ihr zur Primstunde wieder mit Eurem Dienst. Zu diesem Zeitpunkt, weder früher noch später, kommt mein Herr zurück, und Ihr lasst ihn hinein.«
»Wenn ich die neue Wache übernehme, wird man mich gewiss an eine andere Tür stellen.«
»Wir, mein Herr und ich, laufen um die Mauer, bis wir eine Tür entdecken, an die man ein rotes Tuch gehängt hat. Das müsst Ihr tun, wenn Ihr den Dienst aufnehmt.«
»Und woher wisst Ihr so vieles über mich?«
»Nachforschungen, lieber Freund, sind unbedingt notwendig, wenn Ihr in der stürmischen Welt des Schlosses überleben wollt.«
»Nehmen wir an, dass ich einverstanden bin. Was gewinne ich bei diesem gefährlichen Geschäft?«
»Einen Beutel mit fünf Dinaren, wenn wir nach draußen gehen, und noch einmal so viel, wenn wir zurückkommen, und außerdem die Gewissheit, dass Euch ein Mächtiger eine Gefälligkeit schuldig ist. Mein Herr weiß genau, dass es einen etwas kostet, wenn man etwas haben will.«
»Weiß Gott, ich staune immer wieder, wie wild wir Männer sind. Kein Zügel und kein Zaum können einen Brünstigen besser festhalten als ein störrisches Mädchen.«
Sie schlossen den Handel ab. Zur vereinbarten Zeit sollte Gräfin Almodis als Mann gekleidet, in einen Kapuzenmantel gehüllt und außerdem maskiert, zusammen mit dem Zwerg durch ein
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