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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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erweist, einen gleich hohen Platz einzunehmen, ist die Gräfin von Barcelona. Wer entscheiden muss, ob Ihr bleibt oder nicht, bin ich: Nicht einmal der Graf von Barcelona mischt sich in etwas ein, was nur mich betrifft. Außerdem sollt Ihr wissen, dass ich Euch fortan zum geistlichen Berater nehme, und wenn mir etwas nie gefallen hat, so ist es der falsche dienstbare Geist, den beinahe all jene annehmen, die sich den Mächtigen nahen. Euer klarer Ton hat mich außerordentlich für Euch eingenommen, und es würde mich freuen, wenn Ihr im Lauf der Zeit mein Freund würdet.«

    Für Pater Llobet bildeten von diesem Tag an die Gespräche mit der Gräfin – zusammen mit denen, die er hin und wieder mit Baruch Benvenist führte – ein heilsames Elixier, das seinem Verstand guttat. Ihre klugen Argumente und ihre geistreichen Antworten überraschten den hochgelehrten Erzdiakon immer wieder. Er erinnerte sich an Almodis’ scharfsinnige Kommentare zu ihren Sünden.
    »Mich bedrängt ein Zweifel, und darüber möchte ich Euch um Rat fragen.«
    »Ich höre Euch zu, Gräfin.«
    »Ich weiß wohl, dass Ihr mich nicht von meiner Sünde freisprechen dürft, denn ich denke nicht im Traum daran, mich von Ramón zu trennen. Dafür aber bereue ich andere Verfehlungen, die mich peinigen, wie etwa, dass ich einen Menschen getötet habe. Könnt Ihr diese Sünde vergeben, die, wie ich glaube, mich von Jesus Christus entfernt, und das beiseitelassen, was die Kirche so sehr beunruhigt und mein Gewissen hingegen überhaupt nicht belastet?«
    »Herrin, das Sakrament der Beichte ist kein Jahrmarkt, auf dem man allein die Ware erwerben kann, die Euch am besten gefällt. Die Sünden bilden ein Ganzes, und wir dürfen die einen nicht von den anderen trennen. Das Sakrament der Beichte hat seine Vorschriften, und wir können sie nicht unseren Bedürfnissen anpassen, wie man ein Kleidungsstück zurechtschneidet.«
    »Der Herr sagt: ›Wem ihr die Sünden nicht erlasst, dem sind sie nicht erlassen, und wem ihr sie vergebt, dem sind sie vergeben.‹ Warum vergebt Ihr mir die eine nicht und sprecht mich von allen übrigen frei, besonders von der, die mein Gewissen belastet? Wenn mir etwas zustoßen sollte, werde ich da oben schon dem Richtigen erklären, dass man mich beim ersten Mal ohne meine Zustimmung verheiratete und mich beim zweiten Mal aus politischen Gründen einem Alten übergab. Hat eine Frau nicht das Recht, über ihr Leben zu entscheiden, und muss sie sich immer nach den Interessen der Männer richten?«
    »Herrin, die Fragen der hohen Politik haben nichts mit den Angelegenheiten dieses armen Priesters zu tun. Wenn jede Prinzessin oder Herrin dieser Königreiche nach ihrem Belieben das heilige Eheband zerreißen könnte, weil sie nicht mit dem ihr bestimmten Schicksal einverstanden ist, würde der ganze Zusammenhalt der Christenheit wie ein alter Schafstall zusammenfallen.«
    »Aber Ihr müsst verstehen, dass es sich um mein Leben handelt, dass
ich es nur einmal erleben werde und dass es meine bescheidene Person nicht vermag, das ganze Gerüst der Reiche dieser Welt auf ihren schwachen Schultern zu tragen. Wenn man mir dereinst einen Grabstein widmet und darauf liest: ›Hier ruht Almodis‹, so hat mein Gang durch dieses Tal der Tränen geendet, und ich möchte, dass er so angenehm wie möglich verläuft. Meinen Anteil an Tränen habe ich schon erschöpft.«
    Diese und andere Kommentare, die so geistreich wie überzeugend waren, entwaffneten den Geistlichen, der oft nicht wusste, welche Gegenargumente er vorbringen sollte.
    Oft sprach die Gräfin schließlich über das Problem der Thronfolge, und sie bedrängte den Priester mit Fragen nach seiner Meinung.
    »Sagt mir, mein guter Domherr, und jetzt rede ich darüber, was für die Grafschaft den größten politischen Vorteil bietet: Nehmen wir einmal an, dass Rom die Aufhebung unserer vorherigen Ehen mitgeteilt hat und dass der Graf von Barcelona und ich Mann und Frau sind. Es ist Vox populi , dass Pedro Ramón, der Erstgeborene meines Gatten, keinen hellen Verstand besitzt, dass er wankelmütig und verweichlicht ist. Glaubt Ihr, dass er herrschen muss, weil er der Erstgeborene ist? Denkt Ihr nicht, es wäre gerecht, wenn ich Barcelona einen Erben schenken könnte, dass der Graf sein Testament zum Wohl der Grafschaft und zum Nutzen seiner Untertanen ändert, damit der Fähigere herrschen kann?«
    »Herrin, es ist nicht meines Amtes, über solche Dinge zu urteilen, und wenn Ihr so mit mir

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