Das Vermächtnis des Martí Barbany
redet, bringt Ihr mich in eine wirklich schwierige Lage.«
»Llobet, ich frage Euch als einen erfahrenen Mann und alten Soldaten, der den Berenguers lange Zeit gedient hat. Was ist Schlechtes daran, dass sich die Gräfin von Barcelona mit jemandem beratschlagt, der ihr nahesteht und der Bescheid weiß? Ich bitte Euch, und wenn es sein muss, befehle ich Euch, dass Ihr auf meine Frage antwortet.«
Der Geistliche zögerte einen Augenblick.
»Ich könnte mich retten, indem ich Euch täusche.«
»Aber das tut Ihr nicht, das entspricht nicht Eurem Glauben und auch nicht Eurem Wesen eines rechtschaffenen Mannes. Antwortet.«
»Nun gut, Herrin, wenn die vorerst sündhafte Frucht Eurer Liebe die politischen Vorzüge und den offenkundigen Mut ihrer Mutter besitzt, wäre so etwas vielleicht angemessen.«
39
Nächtliches Treiben
D elfín fürchtete die Hartnäckigkeit seiner Herrin, sobald sie sich auf einen Einfall versteifte. Almodis ließ sich offenbar von dem übermächtigen Drang leiten, einem Erben das Leben zu schenken. Darum hatte sie sich einen Plan ausgedacht, und der Zwerg wusste, dass sich seine Herrin über alle Hindernisse hinwegsetzen würde, um ihr Ziel zu erreichen. Das war für ihn recht gefährlich. Sollte man nämlich dieses Unternehmen entdecken, würden die Folgen unfehlbar ihn treffen, weil die Gräfin stets von jeder möglichen Strafe verschont bliebe: zunächst einmal wegen ihrer Persönlichkeit und dann, weil der Graf maßlos in sie verliebt war.
Delfín hatte prophetische Gaben, doch anders als die Gräfin meinte, besaß er nicht die geringste Macht oder Zauberkraft, die die Sterne für irgendein Unternehmen günstig stimmen könnte. Trotzdem suchte er bei jeder Gelegenheit die Nähe von Leuten, die eine Neigung zu solchen Dingen hatten, ob es sich nun um ehrliche Menschen oder bloße Komödianten handelte, die die Ängste der Gutgläubigen ausnutzten, um deren Börse zu schröpfen.
Jedenfalls ließ er sich an einem Unglückstag zu der Torheit hinreißen, dass er Almodis von einer mit ihm befreundeten blinden Hellseherin erzählte, die oft von unfruchtbaren Frauen sowie von Mädchen aufgesucht wurde, deren Jungfernhäutchen sie wiederherstellen sollte, damit ihre Familie nicht in Schande geriet. Er hatte sie kennengelernt, als er die Garküche jenseits des Castellnou-Tors besuchte, die ihr Schwager besaß. Er erfuhr von ihr, als er sich nach den vielen unauffällig auftretenden und sogar vermummten Leuten erkundigte: Sie liefen an dem mit Tischen voll gestellten Raum vorbei und gingen zu einer am anderen Ende versteckten Tür, die zu einem Hinterzimmer des Lokals führte.
Die Antwort der Gräfin ließ nicht auf sich warten.
»Also, mein Freund, du bittest sie für mich um eine Unterredung. Ich brauche ihre Kenntnisse, und ihre Blindheit kommt mir gerade recht. In der nächsten Woche will ich, wie es mir Doña Lionor geraten hat, zum Grafen reisen, der Tortosa belagert, und ich will alle Mittel einsetzen, über die ich verfüge, um die Gelegenheit nicht zu vergeuden und bei dieser Vereinigung schwanger zu werden.«
»Aber, Herrin...«, wagte das Männlein einzuwenden, »Florinda empfängt nur nachts, und Eure Eskorte erregt Aufsehen, wenn sie an einem so sonderbaren Ort auftaucht.«
»Was glaubst du denn, du PSchwachkopf? Dass die Gräfin Almodis de la Marche mit Trommeln und Trompeten zu einer solch bedenklichen Verabredung kommt?«
»Was plant Ihr dann, Herrin?«
»Du und ich, wir gehen hin, und das machen wir heimlich, wie es sich gehört.«
»Ihr könnt mir das Leben nehmen, aber nicht den Schrecken, wenn man aus irgendeinem Grund Eure List entdeckt und uns überrascht. Ich bin sicher, dass mich dann der Zorn des Grafen trifft.«
»Das könnte zwar möglich sein, aber was ich dir dagegen ankündige, ist ganz und gar sicher. Wenn du mir nicht gehorchst, trifft dich mein Zorn, und ich schwöre, dass ich dir mit meiner Peitsche das Rückgrat geradebiege.«
Delfín fühlte sich in diese unangenehme Intrige hineingezogen, und er entschied sich für die am wenigsten gefährliche Möglichkeit. Florinda tätigte ihre Geschäfte im Hinterzimmer der Garküche, die Schänke des Lahmen hieß, weil der Wirt hinkte. Das Lokal befand sich zwischen zwei Wohnhäusern und stützte seine schadhaften Wände an einen Strebepfeiler der alten Stadtmauer. Um hinzukommen, musste man eine gefährliche Strecke hinter sich bringen, weil es in der Stadt, vor allem in den Außenvierteln, keine Beleuchtung
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