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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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dass die Kette immer am schwächsten Glied reißt und dass die auf Entbindungen spezialisierten Ärzte nie irgendeine Schuld auf sich nahmen, wenn etwas misslang. Der jüdische Arzt, der diesmal der Wöchnerin beistand, flößte ihr allerdings großes Vertrauen ein. Halevi genoss hohes Ansehen in der Grafschaft, und seine Ratschläge waren immer zutreffend, doch der praktische Teil der Entbindung lag vollständig in ihrer Hand.
    Blass und erwartungsvoll stand Ramón Berenguer I. vor dem Bett. Hinter ihm saß Odó von Montcada, der Bischof der Kathedrale, auf einem Ehrensitz mit feinem Schnitzwerk. Er trug zeremonielle Kleidung, zu der Hirtenstab und Ring gehörten. Er blickte finster, denn sein Amt
erforderte von ihm zwar, bei der Entbindung anwesend zu sein, doch wegen der ehebrecherischen Verbindung des Grafenpaars gefiel ihm diese Szene nicht, und darum war er hier weniger als Bischof und eher als Amtsperson, die der Verpflichtung nachkommen musste, das Protokoll einzuhalten und als Zeuge zu dienen. Rechts befand sich Guillem von Valderribes, der Obernotar, der beglaubigen sollte, dass das Neugeborene wirklich das Kind der Gräfin von Barcelona war. Dann kamen der Palastrichter Ponç Bonfill i March und schließlich auf einer Seite Pater Llobet, der Beichtvater Almodis’, und Halevi, der Arzt, und auf der anderen gab es einen freien Raum, damit die Hebamme und ihre Gehilfinnen ungehindert arbeiten konnten. Dort sah man einen Tisch mit gedrechselten Beinen und einem Seidentuch; darauf lagen alle bei Entbindungen benutzten Instrumente: verflochtene Schnüre, Eisengeräte und Zangen, deren Spitzen mit Tüchern umwickelt waren, um das kleine Geschöpf herauszuziehen, sobald es hervordrang, ohne ihm den geringsten Schaden zuzufügen, eine Lederrolle, mit der man auf den Bauch der Wöchnerin von oben nach unten drücken und so den Fötus in den Geburtskanal bringen konnte. Das Zimmer lag wie üblich im Halbdunkel. An den Ecken des Bettes hatte man vier große Wachskerzen aufgestellt, die diesen Bereich erleuchteten. Rechts von der riesigen Lagerstatt sorgte ein großer Kamin für Wärme; über den brennenden Holzscheiten und auf dicken Feuerböcken, die mit Löwenköpfen endeten, stand ein bauchiger Kupferkessel, aus dem die Frauen mit Schöpflöffeln Wasser holten, wie es die Hebamme oder der Arzt verlangten. Über dem Kaminsturz hing als Schmuck eine umfangreiche Waffensammlung, in der die sechs Schwerter der Vorfahren des jetzigen Grafen Ramón Berenguer I. zusammengebunden waren, und über den Rahmen der großen, mit dickem Sackleinen verhängten Fächerfenster des Schlosses prangten die Wappen des Grafenhauses von Barcelona.
    Die Hebamme steckte die Finger in das geweitete Geschlecht der Gräfin, das mit einem feinen Leintuch bedeckt war. Sie tastete vorsichtig. Als sie dies tat, verriet sich Almodis nur durch ein leichtes Blinzeln. Die Hebamme drehte sich zum Arzt um und murmelte: »Es will schon kommen.«
    Der Arzt schob sie behutsam beiseite und stellte sich so, dass er diese Erklärung nachprüfen konnte. Als er die Hand wegzog, wies er an: »Setzt die Herrin auf den Entbindungsstuhl.«
    Dieser Stuhl stand an einer Seite, und nun stellte man ihn unverzüglich
neben das Bett. Es war ein großer und breiter Sessel aus Buchenholz. Der gepolsterte Ledersitz war nach vorn offen, und darunter befand sich ein herausnehmbares Waschbecken. Aus dem Rand der Armlehnen, die außerdem zwei Klammern aus dem gleichen Material mit Schnallen hatten, um die Wöchnerin festzubinden, ragten zwei gekrümmte, v-förmige Stangen hervor, an deren Enden sich zwei gebogene Stützen befanden, gegen die sich die Waden der Frau drücken sollten, um so den Austritt des Neugeborenen zu erleichtern, während die Nachgeburt in das Becken rutschen sollte.
    Die stämmigen Frauen, die die Hebamme unterstützten, packten die Gräfin unter den Armen und an den Kniekehlen und setzten sie äußerst vorsichtig auf den Stuhl, wobei sie deren Haltung dem Gerät anpassten. Als man ihre Arme mit den Riemen festbinden wollte, erklang ihre raue und kräftige Stimme.
    »Ihr braucht mich nicht festzubinden. Die Gräfin von Barcelona kann jeden Schmerz ertragen.«
    Sie wandte sich dem Arzt zu, ergriff ihn am weiten Ärmel seines Obergewands und wies ihn an: »Wenn Ihr mich schröpfen müsst, tut es ohne Bedenken. Ich will nicht, dass dieser Sohn wie der beim letzten Mal leidet, wenn er herauskommt, und dass er schließlich tot oder mit irgendeinem Gebrechen

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