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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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geboren wird, weil man sich falsch verhalten hat. Sein Leben ist für Barcelona viel wichtiger als meines, und Ihr müsst daran denken, dass ich Euch dafür verantwortlich mache, mir jede Einzelheit mitzuteilen, die den Säugling betrifft, sobald er geboren wird. Und damit meine ich nicht nur sein Geschlecht, sondern auch alle Zeichen, Merkmale oder Besonderheiten des Neugeborenen.«
    »Ich verstehe Euch nicht, Herrin.«
    »Das braucht Ihr auch nicht. Ich weiß schon, was ich meine.«
    Danach sprach sie den Bischof, den Obernotar und den Palastrichter an. Sie befahl ihnen: »Und Ihr, verehrte Herren! Wendet, wenn es Euch nicht stört, in einem solch bedeutsamen Moment Eure Blicke woandershin: Mein Geschlecht ist kein Zirkus. Eure Gnaden werden bald Zeit haben, Euren Auftrag auszuführen, ohne dass ich die Schmach erleiden muss, mich wie eine Kuh auf dem Jahrmarkt anstarren zu lassen.«
    Der schweißbedeckten und erregten Almodis klebten die Haarsträhnen an der Stirn. Sie blickte den Arzt an und schluckte gehorsam den Heiltrank, den er ihr in einem Goldbecher an die Lippen hielt. Eine
flüchtige Wolke überschattete ihren Blick, und ihr Geist beschäftigte sich eindringlich mit den letzten Worten, die ihr der gute Delfín ein paar Nächte zuvor ins Ohr geraunt hatte.
    Damals, als Almodis gerade erst begann, sich in ihrer neuen Wohnstätte einzurichten, hatte sie mit großer Umsicht einen Ort ausgewählt, an dem sie sich vor dem Gerede, den indiskreten Blicken und den Palastintrigen vollständig sicher fühlte. Sie bat ihren Gemahl, ihr ein Zimmer für sie allein zu geben, und dieser wies ihr eines an, das seinem Gemach sehr nahe war. Es lag in einem benachbarten Turm und war früher ein kleiner Musiksaal gewesen, den man aber wegen der Lebensumstände und der barbarischen Sitten der Höflinge, die weitaus mehr für den Krieg als für die Pflege der schönen Künste übrighatten, sehr bald nicht mehr benutzt hatte. Jedenfalls widmete sie nun ihre Stunden der Aufgabe, sorgfältig nach den Möbeln und Geräten zu suchen, die sie an ihr geliebtes Heimatland erinnerten. Das Zimmer hatte wie beinahe alle Schlossräume einen kleinen Kamin. Vor ihm stellte sie eine Bank im maurischen Stil auf, die angenehme Proportionen hatte. Daneben standen ein Prachtsessel und ein kleiner Schemel, auf den sich gewöhnlich Delfín setzte. Er tröstete sie über ihre Langeweile und ihr Heimweh hinweg, indem er plauderte oder Zither spielte. Dann kamen ihr Spinnrocken, ein hölzerner Stickrahmen, den man, der Größe der Leinwand entsprechend, an der sie gerade arbeitete, verstellen konnte, ein Betstuhl, ein Kissen, worauf sie während der eiskalten Winterabende ihre Füße setzen konnte, ein Pult für Partituren und ein Psalmenbuch, dazu Regale für ihre Lieblingsgegenstände, Wandteppiche und Waffensammlungen, die die kalten Wände behaglicher machten, Kandelaber, Kronleuchter, Öllampen... Dorthin zog sie sich zurück, um nachzudenken, Besuche zu empfangen und jene Personen anzuhören, die ihre Vermittlung oder ihren Rat benötigten.
    In diese Erinnerungen versank ihr Geist, den das Laudanum des Arzneitranks eingeschläfert hatte, damit sie die Wehen besser ertragen konnte.
    Jene kalte Nacht, die ihr betäubter Geist heraufbeschwor, war mit einem riesigen Mond angebrochen, den ein schimmernder, Schnee ankündigender Hof umgab. Delfín hockte auf seinem Schemel, wie er es zu tun pflegte. Seine Blicke verirrten sich in der Ferne. Er saß gedankenversunken und, etwas für ihn Ungewöhnliches, schweigend da. Almodis arbeitete an einem Wandteppich, den sie vor der Entbindung fertigstellen
wollte, weil er ein Geburtstagsgeschenk für ihren Gemahl sein sollte. Sie erinnerte sich, dass sie ihrem Vertrauten liebevolle Vorwürfe machte, weil er nichts sagte: »Delfín, mein Freund, du bist gefühllos. An dem Tag, an dem ich dein Geschwätz am nötigsten habe, um mich abzulenken, schweigst du wie eine Eule und sorgst mehr für Unruhe als für Zerstreuung.«
    Delfín kehrte aus seinen Träumereien zurück und warf ihr einen Blick zu, den sie früher nie bei ihm gesehen hatte.
    »Was gibt es? Habe ich dich etwa beleidigt, ohne es zu merken?«
    »Wie könnt Ihr so etwas denken? Ihr seid meine Herrin, und Euch habe ich alles zu verdanken.«
    »Was quält dich dann, und was trübt deinen Geist so sehr, dass ich dich für ruheloser als mich selbst halten muss?«
    »Gnädige Herrin, ich weiß nicht, ob ich es sagen sollte...«
    Almodis legte den

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