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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Stickrahmen beiseite. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich.
    »Was gibt es denn nun? Du hast mir nie etwas verborgen.«
    »Ich will nicht, dass Euch meine Bagatellen beunruhigen.«
    »Deine Bagatellen, sagst du! Alles, was dir zustößt, interessiert mich.«
    »Es betrifft Euch.«
    »Dann gilt das noch mehr. Sag mir auf der Stelle, was es gibt... Ich möchte keine Mittel anwenden, die ich verabscheue, wenn ich sehe, dass andere zu ihnen greifen.«
    »Herrin, das ist bei mir eine ganze Zeit nicht vorgekommen, aber vor zwei Nächten hat mich ein Vorzeichen heimgesucht.«
    Unwillkürlich machte die Gräfin eine Pause, bevor sie antwortete.
    »Und was für ein Vorzeichen ist das?«
    »Herrin, zwingt mich nicht. Das sind gewiss Fieberphantasien von mir... Ich werde allmählich alt.«
    Almodis’ Augenbrauen runzelten sich und kündigten ein Unwetter an. Ihr Gesicht verzog sich zu einer krampfhaften Grimasse, die Delfín genau kannte, wenn er sie auch nur selten gesehen hatte.
    »Ich bedauere, dass ich dir drohen muss, aber deine Haltung zwingt mich dazu. Erinnerst du dich an die Peitsche, mit der ich Hermosa züchtige, wenn sie einen Sprung verweigert? Bitte, zwinge mich nicht, Delfín.«
    Der Zwerg rutschte unruhig auf seinem Schemel hin und her.

    »Es geht nicht um die Strafe, Herrin. Ich glaube, dass ich es Euch schuldig bin.«
    »Rede endlich, um Gottes willen! Was ist denn so wichtig?«
    »Herrin...« Der Zwerg schluckte. »Ich hatte eine Vorahnung: Euer Sohn wird zur Welt kommen, und mit ihm seine Nemesis.«
    Almodis erinnerte sich daran, dass diese Worte sie wie ein Blitz trafen. Deshalb hatte sie dem Arzt gesagt, dass sie alles wissen wollte, was mit ihrem Sohn zu tun hatte, und da Delfín nicht genauer angeben konnte, worin die angekündigte Tragödie bestehen werde, hatte sie zu Gott gebetet, dass sie sich auf den Körper und nicht den Verstand des Neugeborenen bezog, denn Klugheit ist ja die wichtigste Eigenschaft eines guten Fürsten.
    Die Geburtswehen hatten den Höhepunkt erreicht, aber nichts schien die Gebärende zu überanstrengen: Sie hielt den Körper halb aufrecht, presste die blassen Lippen zusammen, ihre Halsadern traten hervor, und ihre Sehnen waren wie Lautensaiten gespannt. In ihren Ohren klangen die Worte der Hebamme nach: »Presst jetzt, Herrin, presst...«
    Schließlich eine letzte Anstrengung, das Gefühl, dass sie sich entleerte, wobei ihr allerdings etwas im Innern sagte, dass ihre Schmerzen noch nicht zu Ende waren. Und dann eine große Ermattung, begleitet von einem weinerlichen Wimmern.
    Ihre Ohren erfassten sehr deutlich die Worte, die man rings um sie verstohlen flüsterte, so wie ein Sterbender die Dinge wahrnimmt, die seine Angehörigen in seiner Gegenwart äußern, weil sie glauben, dass er schon nicht mehr von dieser Welt ist. Als Erstes wechselten die Hebamme und der Arzt ein paar Sätze, und danach wandte sich der Arzt an ihren Gemahl. Sie lauschte.
    »Herr, schon ist ein Fürst geboren. Mein Rat ist, dass wir das Leben der Gräfin nicht aufs Spiel setzen: Ein zweiter kommt in Steißlage, und man kann schlecht mit ihm zurechtkommen. Am wahrscheinlichsten ist, dass wir ihn tot herausholen, aber dafür überlebt Eure Gemahlin.«
    Hierauf hörte sie die Stimme ihres Geliebten in der Ferne.
    »Handelt so, wie Ihr es für das Beste haltet. Ich habe ja nun einen Erben.«
    Halevi bemerkte, dass die Gräfin eindringlich nach ihm verlangte. Er ging zum Entbindungsstuhl und hielt sein Ohr an die Lippen der Wöchnerin.
    »Hier bin ich, Herrin.«

    »Was ist vorgefallen?«
    Der kluge Jude zögerte.
    »Ich verlange von Euch, dass Ihr mir unverzüglich sagt, was vorgefallen ist!«, befahl Almodis mit heiserer Stimme.
    Nun hörte sie die zitternde Stimme des Arztes.
    »Herrin, Ihr habt einen kräftigen und klugen Jungen geboren. Ich muss Euch sagen, dass ich Eure Anweisungen befolgt und Euch unten etwas geschröpft habe, damit Ihr nicht leidet, aber das Kind brauchte keine Hilfe und keine Zangen. Trotzdem, denn Ihr habt mich ja angewiesen, das ich Euch sofort unterrichte, wenn ich eine Anomalie feststelle, muss ich Euch erklären, was ich schon dem Grafen mitgeteilt habe: Es kommt ein zweites Kind in Steißlage, und Euer Leben ist bedroht. Ich kann mich nicht dafür verbürgen, was geschieht, wenn ich Euch beide retten will. Alles liegt in der Hand der göttlichen Vorsehung. Ich habe getan, was ich konnte. So etwas entzieht sich der Fähigkeit der Menschen, und ich denke, dass ich vor allem

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