Das Vermächtnis des Martí Barbany
Tag mehr verkümmert. Die Neuigkeit, die ihm Edelmunda mitteilte, trug deshalb dazu bei, dass er sein Spielzeug satt bekam. Andererseits hatte man ihm eine Woche zuvor eine beträchtliche Summe ausgezahlt, die aus seinen Geschäften mit Martí Barbany stammte, und diese konnten im Lauf der Zeit nur noch zahlreicher und einträglicher werden.
Seinem Geist boten sich nun verschiedene Möglichkeiten dar: Wenn es ihm gelang, Martí zum Bürger Barcelonas zu machen, und er ihm Laia zur Frau gab, hätte sie einen Vater für das Kind. Er wollte nicht an eine Abtreibung denken, denn das war eine Sünde, die Gott aufs Äußerste missfiel. Stattdessen würde Er seine männlichen Schwächen verzeihen. So könnte er den ehrgeizigen jungen Mann im Zaum halten, und wenn er sich der Vorsichtsmaßnahme bediente, die Sklavin auf einem ihm gehörenden
Gut zu verstecken, wie etwa in dem befestigten Gehöft von Sallent, hätte er sich das Schweigen seiner Stieftochter für immer gesichert. Etwas anderes war dringend notwendig: Niemand in der Residenzstadt durfte etwas von Laias Zustand wissen. Hierfür wollte er sie zusammen mit Edelmunda ebenfalls nach Sallent schicken. Wenn sie ihre Figur zurückgewonnen hätte, würde er gestatten, dass sie Aixa wiedersah, damit sie wüsste, dass alles von ihr abhing und dass ihr Schweigen das Überleben der Maurin garantierte.
Seine Zweifel und Bedenken beschäftigten ihn eine Woche. Er grübelte immer wieder über die Angelegenheit nach, und als er sich endlich entschlossen hatte, ließ er seinen Wagen anspannen und fuhr zur Pia Almoina, wo sich sein Beichtvater aufhielt, der auch derjenige der Gräfin Almodis war: Pater Eudald Llobet.
Eudald Llobet kümmerte sich um jedes Pfarrkind, das seinen Rat erbat, doch wie alle Menschen hatte er seine Vorlieben und Abneigungen, und der durchtriebene Montcusí war nicht gerade ein Charakter, der ihm gefiel.
»Willkommen in diesem Haus, Bernat. Wenn Ihr mich darum gebeten hättet, wäre ich zu Euch gekommen.«
»Die Umstände haben mich gedrängt, und ich wollte Zeit gewinnen, indem ich Euch aufsuche.«
»Dann nehmt Platz, und erklärt mir den Grund Eures Besuchs.«
»Eudald, die Angelegenheit, die mich zu Euch führt, ist äußerst heikel und muss höchst behutsam behandelt werden, denn sie schadet nicht nur meinem guten Namen als Vormund, sondern kann auch meine Pflegetochter Laia, die ich so innig liebe, zeitlebens unglücklich machen und mein Haus mit Schimpf und Schande bedecken.«
»Ihr beunruhigt mich, Bernat. Ich höre Euch zu.«
»Nun gut. Zunächst erzähle ich Euch, was geschehen ist, und danach erwarte ich Euren Rat, damit ich aus dieser schlimmen Lage herauskomme.«
Der Priester rutschte unruhig hin und her und wartete, dass sich sein Besucher näher erklärte.
»Ihr kennt ja den Wankelmut der Weiber. Aus Eurer Erfahrung wisst Ihr, wie vergänglich ihre Gefühle sind und wie sich ihr Körper verändert, wenn sie zu ganzen Frauen heranwachsen. Meine Pflegetochter hatte sich leichtfertig in Martí Barbany verliebt, den jungen Mann, den Ihr zu mir geschickt habt, damit er mein Einverständnis erbittet, weil er
ein Geschäft mit Luxuswaren eröffnen wollte. Dann haben mich sein Charakter und seine Tatkraft für ihn gewonnen. Jedenfalls hat er Laia auf dem Sklavenmarkt kennengelernt, sie haben sich mit der Hilfe treuloser Diener mehrmals heimlich getroffen, und meine Stieftochter verleitete ihn zu trügerischen Hoffnungen. Vergessen wir nicht, dass er sie nicht verdient, weil er ja noch nicht einmal Bürger Barcelonas ist. Der junge Mann hat mich um die Erlaubnis gebeten, ihr den Hof zu machen, doch zu meinem Bedauern und im Widerspruch zu meinen Gefühlen musste ich mich widersetzen. Trotzdem tat ich es in der Hoffnung, dass ihm Laias Liebe als Ansporn dienen würde, damit er seine Lage im Lauf der Zeit klärte und seine Erfolge es mir dann gestatten würden, der Verbindung zuzustimmen. Aber nun hat Euer Schützling eine Reise unternommen, und anderthalb Jahre nach seiner Abfahrt ist Laia eines Nachts zu mir gekommen und hat mir weinend von ihren heimlichen Treffen und der Verpflichtung erzählt, die sie eingegangen war. Dann bat sie mich, dafür zu sorgen, dass er einen Brief erhielt, der ihm mitteilte, dass ihre Beziehung beendet war und sie ihn nicht mehr liebte. Wie Ihr gewiss versteht, habe ich sie wegen ihres Leichtsinns getadelt: Ich habe ihr vorgehalten, dass sie nicht bedenkenlos mit den Gefühlen anderer Menschen spielen dürfe,
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