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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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eine solche Macht verleihen, dass er aus dem Schatten heraus versuchen kann, Euch zu schaden. Der Ehrgeiz der Feiglinge ist grenzenlos.«
    »Macht Euch um mich keine Sorgen. Wenn eine solche Lage eintritt, werdet Ihr sehen, wie der Graf von Barcelona rasch Abhilfe schafft. Ein guter Herrscher hat keine Freunde. Beim kleinsten Verdacht, dass seine Verdienste geringer als die Vorteile sind, die er tatsächlich der Grafschaft bringt, wird er sich meine Achtung weniger lange als Ingwermus im Mund Eurer Zwillinge erhalten.«
    »Unserer Söhne, wollt Ihr sagen.«
    »Natürlich, liebe Gemahlin.«

58
    Kerbela
     
    B eim Aufbruch der Karawane aus Sidon hatte Hugues de Rogent den buntscheckigen Zug auf kluge Weise geordnet. An die Spitze stellte er eine kleine Vorhut von Veteranen. Diese begleiteten einen der beiden Führer, die den Weg kannten. Dann kamen die Wagen, an deren Tempo sich alle anpassen mussten, denn sie waren der langsamste Teil der ganzen Gruppe. Ihnen folgte die Hauptmasse des Zuges, die unterschiedliche Reittiere benutzte. Mit ihnen ritt Hugues. Er saß auf einem prächtigen Wallach, und seine Befehle, die mit Hornsignalen übermittelt wurden, reichten bis zu beiden Enden des Zuges. Neben ihm ritt der zweite Wegführer. In der Nachhut befand sich die Söldnertruppe, die sich stets bereithielt, einer in Gefahr geratenen Abteilung zu Hilfe zu eilen. Der Hauptmann hatte Kundschafter eine halbe Meile vorausgeschickt, die warnen sollten, wenn sie etwas Verdächtiges entdeckten. Martí verabschiedete sich von Hazan, und dieser gab ihm eine endlose Reihe von Empfehlungen mit auf den Weg und wünschte ihm, dass er gut ans Ziel seiner gewagten Reise gelange. Nicht alle Reisenden wollten bis zum Ende mitkommen; darum nahm die Gefahr von Überfällen auf den letzten Etappen zu, wenn die Karawane kleiner geworden war. Martí, der sich mit dem fränkischen Abenteurer angefreundet hatte, ritt neben ihm.
    »Was meint Ihr, wie lange es dauern wird, bis wir Persien erreichen?«
    »Das weiß man nie. Es kann immer etwas Unvorhergesehenes geschehen: unangenehme Begegnungen, Krankheiten... Aber seid Euch gewiss, dass ich bis heute nie jemanden zurückgelassen habe, der unterwegs fieberkrank oder verletzt war, und wenn es Tote gegeben hat, so habe ich sie begraben. Darauf beruht der gute Name eines Karawanenführers.«
    Wenig später konnte Martí am eigenen Leib erfahren, wie sehr die Worte des Franzosen zutrafen. Die Karawane hatte Damaskus hinter sich
gelassen und zog zur Oase Saba-Abar. Die »Wüstenratten«, so nannte man die Wegelagerer, die in jenen Gegenden hausten, hatten sich hin und wieder blicken lassen. Doch die große Zahl der Söldner, die die Karawane beschützten, schreckte sie von einem Angriff ab. Die Tage waren erstickend heiß und die Nächte eiskalt. Darunter litten die Reisenden, ebenso unter den Staubstürmen. Die Leute bedeckten sich mit allen möglichen weiten Kleidungsstücken, doch der Sand drang in alle Körperritzen ein, und die Einzigen, die davor bewahrt blieben, waren die Kamele, weil sie Augen und Nase verschließen konnten. In der Oase beerdigte man drei Opfer, die diese Bewährungsprobe nicht überstanden hatten, und seitdem verfolgte ein Unheil verheißender Geierschwarm die Karawane. Nun konnte Martí feststellen, wie gut es war, dass er sich Marwan als Begleiter ausgesucht hatte. Er hatte sein Zelt im Palmenhain aufgeschlagen und war damit den Anweisungen Hugues de Rogents gefolgt, der stets den günstigsten und sichersten Lagerplatz auswählte. In dieser Nacht gab es die letzte Gelegenheit, die Wasserschläuche zu füllen, und der fränkische Anführer hatte Martí eingeladen, sein bescheidenes Mahl zu teilen.
    Die Glühwürmchen der Wüste funkelten in der Dunkelheit. Als sich Martí nach dem Abendessen auf dem Lager ausstrecken wollte, das Marwan für ihn vorbereitet hatte, stach ihn etwas in den rechten Fuß, was ihm ungeheuer wehtat. Im Kerzenlicht konnte er sehen, dass sich sein Peiniger unter einen Stein verkroch. Martí rief laut nach seinem Diener und sagte ihm, was vorgefallen war. Marwan hob den Stein hoch, und dabei sprang das kleine Tier hervor. Nachdem der Diener das Ungeziefer zerquetscht hatte, erklärte er seinem Herrn: »Ihr habt kein Glück gehabt, gnädiger Herr. Das war ein Dünenskorpion. Ich muss schnell meine Sachen holen, oder Ihr kommt nicht lebend nach Kerbela.«
    Als Marwan mit seinem Beutel zu Martí zurückkehrte, stieg ihm ein unerträgliches Brennen am Bein

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