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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Herrin, erklärt mir nun, was Euch dermaßen beunruhigt, dass es Euch zu einer solch unbequemen Reise zwingt.«
    »Mein guter Guillem, seit dem Tod Olibas habe ich niemandem so vertraut wie Euch, und ich will Euch den Grund nennen. Ihr seid ein herzensguter Mensch und habt keine irdischen Begierden. Die Eitelkeiten dieser Welt sind Euch eine Last, und ich weiß, dass es Euer sehnlichster Wunsch wäre, Euch nach Montserrat zurückzuziehen und Eremit zu werden. Darum glaube ich, dass Euer Rat aufrichtig ist, ohne dass Ihr irgendein selbstsüchtiges Ziel verfolgt, dass Euch allein Euer gesundes Urteil leitet und dass Ihr den Wunsch habt, mir zu helfen.«
    »Ihr überwältigt mich, Gräfin, aber zweifelt nicht, dass mich allein der Drang beseelt, Euch und der Grafschaft zu dienen.«
    »Dann will ich zur Sache kommen, mein Freund. Wie Ihr ja wisst, war unsere Fahrt zum Heiligen Vater erfolgreich, und der Bannfluch hat meinen Enkel und seine Beischläferin getroffen. Wir waren wie der Donner, der dem Gewitter vorausgeht. Die Autorität des Grafen wurde erschüttert, er bekam viele Schwierigkeiten mit seinem Rang und hat sie wohl noch heute. Aber ich werde allmählich alt, und nach so vielen Kämpfen möchte ich nicht, dass zum Schaden Barcelonas ein Zankapfel zurückbleibt, wenn ich aus dieser Welt gehe... Das ist die eine Seite... Auf der anderen Seite gibt es den Hass, den mir das Teufelsweib einflößt, das meinem Enkel den Kopf verdreht hat.«
    »Wenn Ihr mich fragt, was ich davon halte, so sage ich Euch...«
    »Lasst mich ausreden, Bischof, bevor Ihr Euren Rat äußert. Sie haben Gesandte zu mir geschickt, und das mehr als einmal. Ihr Angebot ist verführerisch, und das noch mehr, wenn ich daran denke, dass ich, falls ich nicht nachgebe, bei meinem Tod einen Krieg zurücklasse und dass Gerona und Osona dann auf jeden Fall in Ramóns Machtbereich übergehen. Wenn ich meine Rechte zu Lebzeiten abtrete, erhalte ich so bedeutende Gegenleistungen, dass ich die Einkünfte meiner Stiftungen beinahe für immer regeln kann.«
    »Dann, Herrin, ist mein Rat überflüssig. Offensichtlich müsst Ihr zu einer Vereinbarung kommen, und Gott möge Euer Leben viele Jahre behüten.«

    »Das sagt die kalte Vernunft, aber mein Inneres drängt mich, bis zum Ende standzuhalten, ganz gleich, was bei meinem Tod geschieht.«
    »Das hieße, nicht vernünftig zu handeln... Und wenn Ihr gestattet, möchte ich noch etwas hinzufügen.«
    »Dafür bin ich gekommen, mein lieber Guillem.«
    »Also gut, Herrin. Ich weiß nicht, was aus Almodis’ Söhnen wird, denn sie sind noch klein. Doch ich muss Euch sagen: So wenig sie auch taugen mögen, wenn man auf irgendeine Weise vermeiden könnte, dass die Grafschaft Barcelona in die Hände des Erstgeborenen Eures Enkels fällt, würde es besser um die Zukunft bestellt sein.«
    »Damit sagt Ihr mir nichts Neues, Bischof. Pedro Ramón, Ramóns und Elisabets ältester Sohn, hat sich seinen Ruf eines jähzornigen und grausamen Wirrkopfs wohl verdient. Solche Eigenschaften sind schlechte Ratgeberinnen für einen Herrscher.«
    »Ja, noch mehr, Herrin. Das Leben ist lang, und wenn einer der kleinen Grafen die Qualitäten besitzt, die einen Fürsten auszeichnen müssen, wird es eine Möglichkeit geben, sich zum Wohl der Grafschaft und für das Glück ihrer Bewohner über die dynastische Erbfolge hinwegzusetzen. So etwas würde nicht zum ersten Mal geschehen.«
    »Ich bin bereit, in den sauren Apfel zu beißen. Wie Ihr wisst, kommt mir die Mutter der beiden wie ein Satan in Frauenkleidern vor, aber ich habe gehört, dass einer der kleinen Fürsten solche Tugenden besitzen könnte.«
    »Warum zögert Ihr dann, Herrin?«
    »Das könnt Ihr nicht verstehen, mein guter Guillem. Ebenso wie Männer nicht zum Gebären taugen, müsst Ihr begreifen, dass der Apparat, den Gott den Weibern gegeben hat, niemals abstirbt und dass er viel mit den Entscheidungen zu tun hat, die eine Frau trifft, ob sie nun alt, jung, Prinzessin, Plebejerin oder Nonne ist.«
    Der Prälat errötete.
    »Grämt Euch nicht, Guillem. Vielleicht habt Ihr recht, und die Zeit ist gekommen, dass ich mit dem Kopf und nicht mit den Eingeweiden denken muss.«

62
    Endlich Barcelona
     
    M artí stand beinahe auf der Galionsfigur am Bug der Sant Benet , suchte den herbstlichen Horizont ab und bemühte sich, mit seinen Augen den Morgennebel zu durchdringen, der die Umrisse der Küste verbarg. Es kam ihm so vor, als wäre ein Jahrhundert vergangen, seitdem er die

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