Das Vermächtnis des Martí Barbany
Garküchen, Schänken und Wirtshäuser des Hafens gegangen, um eine Säuferbande anzuheuern, vielmehr hat er sich der Hilfe erfahrener Seebären bedient, mit denen er früher Fahrten und Stürme gemeinsam bestanden hat. Ich kann Euch sagen, dass die, die ich an Deck erblickt habe, sehr beunruhigend aussehen: zerhackte Gesichter, Ohrringe und umgebundene Kopftücher, und ihnen fehlt das eine oder andere Glied, aber Jofre sagt mir, so sähen Seeleute aus, und alle seien zuverlässig und treu bis zum Tod.
Nun gut, gnädiger Herr, ich wünsche, dass Ihr diesen Brief bei bester Gesundheit erhaltet, und ich warte sehnsüchtig auf Eure Rückkehr.
Ich grüße Euch hochachtungsvoll im Namen aller Leute unseres Hauses.
OMAR
Martí hielt das Schreiben lange Zeit in der Hand. Nachdem er Laias Brief noch einmal gelesen hatte, stellte er fest, dass der Bogen ungewöhnlich aussah. Das winzige Kreuz am Briefkopf fehlte, die Tinte war nicht wie üblich grün, sondern von einer anderen Farbe, und auch der Rosenwasserduft fehlte, der sonst seine Sinne berauscht hatte. Das alles machte Martí nachdenklich. Er erinnerte sich, wie ein anderes Schreiben Laias ihn bei der Abreise mit Hoffnung erfüllt hatte. Der rätselhafte Text ängstigte seine Seele so sehr, dass nichts seinen Geist beruhigte. Nach seiner Ankunft musste er vieles klären.
Der dritte Brief war von Baruch. Dessen sachliche Ansichten und knappe Ausdrucksweise erregten wieder einmal seine Bewunderung.
Januar 1055
Verehrter Bruder!
Ich schreibe Euch in der Hoffnung, dass der Brief in Eure Hand gelangt, denn von Hazan weiß ich, dass Ihr beinahe sicher wieder nach Sidon kommt und dass Ihr selbstverständlich bei ihm übernachtet.
Ich wünsche Euch eine sehr gute Fahrt und nenne Euch die Fragen, die uns beide betreffen. Erstens teile ich Euch mit, dass Euer Schiff bereits segelfertig ist, die Mannschaft ist angeheuert und die erste Fracht beinahe schon an Bord. Ich begrüße Euren Eifer, dass Ihr aus den einzelnen Häfen die Liste und die erforderliche Menge der Waren geschickt habt, die man an Bord nehmen muss. Ich entdecke bei Euch das feine Gespür eines erfahrenen Kaufmanns, und ich bin sicher, dass unsere Übereinkunft dank der göttlichen Vorsehung großen Nutzen bringen wird. Euren Anweisungen entsprechend habe ich Kapitän Jofre Euren Wunsch mitgeteilt, wie Ihr Euer Schiff taufen wollt: Er meinte, Eulàlia passe vollkommen, weil es der Name der Schutzpatronin dieser Stadt ist. Wir haben am Schiffsrumpf eine Flasche mit dem besten Wein zerschlagen, und unser gemeinsamer Freund Eudald Llobet hat es übernommen, das Schiff zu segnen.
Was hier geschieht, ist recht verworren, und die Streitigkeiten unseres Grafen und der Gräfin Almodis mit der Gräfin Ermesenda von Gerona setzen sich fort, ohne dass eine Lösung möglich scheint. All das schadet dem Handel und dem Frieden, denn manche neigen zur ersten Partei und andere zur zweiten. Schließlich geht das Leben trotz aller Nachteile weiter, weil das Elend die Menschen zwingt, ungeachtet aller Widerwärtigkeiten ihr Dasein zu fristen, und darum muss sich jeder in seinem Beruf weiterhin mühen, und so, wie es immer gewesen ist, wächst die Grafschaft von allein, trotz der Regierenden, nicht dank ihres Wirkens.
Euren Anweisungen entsprechend habe ich meinen Verwalter geschickt – denn ich weiß, dass Seiner Exzellenz, Ihr wisst ja schon, wen ich meine, die Angehörigen meiner Rasse nicht angenehm sind -, um die Summe von Mancusos zu übergeben, die Ihr mir in Eurem letzten Brief genannt habt. Trotzdem muss ich Euch sagen, dass ich sie für übertrieben hoch halte, aber Ihr bestimmt ja über Euer Vermögen.
Ich wünsche sehnlichst, Euch so bald wie möglich in die Arme zu schließen, und zum Abschied übermittele ich Euch die herzlichen Grüße meiner Tochter Ruth.
BARUCH BENVENIST
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Ehrgeizige Ansprüche
R amón Berenguer I., dem man den Beinamen »Der Alte« gegeben hatte, war der einzige katalanische Graf, dessen Titel Comes Civitatis Barcinonensis auf die Zeit der westgotischen Könige zurückging. Er herrschte in den Grafschaften Barcelona, Gerona und Osona; in der ersten übte er wirklich die Macht aus, als wäre er ein echter Souverän, in den anderen beiden war seine Macht lediglich theoretisch. Sein Problem bestand darin, dass er jahrelang auf die Abdankung oder den Tod seiner Großmutter Ermesenda von Carcassonne gewartet hatte, denn ohne diese Vorbedingung konnte er in der
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