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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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aufschütten würde. Marwan sollte sich bemühen, dass die Sendungen regelmäßig aufeinanderfolgten. Martí bezahlte Marwan die erste Ladung und ein Arbeitsjahr im Voraus.

61
    Größere Übel
    Sommer 1055
     
    E rmesenda von Carcassonne lag zurückgelehnt auf den Polstern ihres Wagens. Sie dämmerte in einem unruhigen Halbschlaf vor sich hin, und immer wieder grübelte sie über ihren Entschluss nach, während die Pferdehufe rhythmisch klapperten, die Radnaben ächzten und ihr Fahrer durchdringend pfiff. Zweifel bedrängten sie, und obwohl es für die gute Regierung der Grafschaft Barcelona erforderlich war, wie sie im tiefsten Herzen verstand, dass der Heilige Vater den auf dem Grafenpaar lastenden Bannfluch aufhob, trübte abgrundtiefer Hass gegen die Beischläferin, die sich ihre Befugnisse anmaßte, ihre Urteilskraft und hinderte sie vielleicht daran, die richtige Entscheidung zu treffen. Darum hatte sie sich entschlossen, Sant Miquel de Cuixà aufzusuchen, um sich mit Bischof Guillem von Balsareny, ihrem treuen Freund, zu beraten, dessen treffendem Urteil und ehrlicher Wesensart sie schon so oft vertraut hatte.
    Als die Pferde langsamer liefen und sich das Fahrgeräusch änderte, weil sie nun über den gepflasterten Hof der Abtei rollten, merkte sie, dass die Reise bald enden würde. Sie zog den Vorhang zurück und streckte den Kopf aus dem Fenster. Wieder einmal bewunderte sie die schönen, prächtigen Mauern und die majestätische Schlichtheit der Gesamtanlage.
    Der Lakai sprang hinten vom Wagen und eilte herbei, um die Tür zu öffnen, während der Fahrer die Zügel der beiden vorderen Pferde festband, die heftig wieherten und nervös aufstampften, wobei ihnen Schaumwolken aus den Nüstern traten.
    Am Haupteingang zog schon der Laienbruder, der sofort erkannt hatte, dass ein wichtiger Besuch eingetroffen war, stürmisch an der Glockenschnur,
die es weit entfernt im Innern des Klosters läuten ließ, was die ganze Gemeinschaft alarmierte. Die Mönche ließen von ihren täglichen Verrichtungen ab und liefen auf diesen Ruf hastig herbei; sie strömten aus dem Garten, dem Refektorium, der Kapelle oder der Bibliothek zusammen. Als Ermesenda, die sich auf ihren Stock stützte, die Mitte des mit Platten ausgekleideten Hofes erreichte, drängte sich der Prälat durch seine im zentralen Bogengang versammelte Gemeinschaft und stürzte ihr entgegen.
    Ermesenda beugte sich schon hinab, um die Hand des Bischofs zu küssen, als er sie zurückhielt.
    »Herrin, Ihr hättet nicht kommen sollen. Wenn ich etwas gewusst hätte, wäre ich zu Euch geeilt.«
    »Herr Bischof, gebt mir nicht das Gefühl, älter zu sein, als ich bin. Noch kann ich ein paar Meilen fahren, wenn ich einen ehrlichen Rat brauche, und wenn es dieses verdammte Knie nicht gäbe, könnte ich die Strecke auf dem Rücken meines weißen Maultiers zurücklegen.«
    »Nie habe ich daran gezweifelt. Doch warum sollt Ihr Unbequemlichkeiten auf Euch nehmen, wisst Ihr doch, dass ich geschwind zu Euch gefahren wäre, wenn Ihr mir nur einen Boten geschickt hättet.«
    »Vielleicht, weil ich so meine armen Knochen täusche, indem ich ihnen weismache, dass sie noch jung sind.«
    Während die beiden miteinander plauderten, waren sie zu den Klosterbrüdern gelangt, die auf einen Wink ihres Priors die Gräfin ehrerbietig begrüßten und sich dann zu ihren Arbeiten zurückbegaben.
    »Abt, bringt mich ins Refektorium, und Euer Koch soll mich mit Marzipangebäck, Himbeerkonfitüre und frisch gemolkener Milch bewirten, denn womöglich war dies der wirkliche Grund für meinen Besuch. Ist Bruder Joan noch Euer Küchenmeister?«
    »Immer noch, Gräfin, und wenn ich aufrichtig sein soll, muss ich Euch sagen, dass er es ist, der im Kloster befiehlt. Vor einem knappen Monat musste er das Bett hüten, weil ihn eine hartnäckige Erkältung plagte, und die Brüder haben so schlecht gegessen, dass ich sie beruhigen musste, indem ich diese üblen Speisen als Buße anrechnete und sie danach vom vorgeschriebenen Fasten befreite.«
    »Dann lassen wir uns nicht aufhalten und machen ihm einen Höflichkeitsbesuch. Sagt ihm, dass ihm seine Gräfin ihre Hochachtung bekundet und einen langen Weg hinter sich gebracht hat, um seine Köstlichkeiten zu genießen.«

    Nachdem Ermesenda einen guten Imbiss zu sich genommen und die Kapelle besucht hatte, brachte der Abt sie ins Skriptorium und stellte sich auf das heikle Thema ein, das ihm die unerwartete Besucherin gewiss vortragen würde.
    »Wohlan denn,

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