Das Vermächtnis des Martí Barbany
hatte, umfasste seine Flotte nun neun Schiffe. Pater Llobet hatte sich schon an die Trauer gewöhnt, die aus den Augen seines Schützlings und Freundes sprach.
»Wie geht es Euch, Martí?«, fragte der Domherr trotzdem und steckte die Hände in den Überrock, um sie vor dem kalten Winterwind zu schützen.
»Gott sei Dank habe ich ständig zu tun. Das hilft mir, nicht nachzudenken.«
»Also kommt Ihr gut mit Euren Plänen voran?«
»So gut, wie es mir in meinem übrigen Leben schlecht ergangen ist.«
Der Priester achtete sorgfältig auf seine Worte.
»Das Leben ist ein langer Weg voller Dornen und Rosen. Uns allen wird alles zuteil: Gutes und Schlechtes. Wir dürfen uns nicht geschlagen geben, wenn wir straucheln. Wir dürfen nicht den Mut verlieren, wenn wir stürzen. Es kommt darauf an, dass man aufsteht und den Weg fortsetzt. Schließlich behütet der Herrgott immer seine Geschöpfe.«
»Aber in manchen Augenblicken vergisst er sie offenbar. Ich möchte Euch die Wahrheit sagen: Mein Glauben ist erschüttert.«
»Versündigt Euch nicht an Gott. Uns Menschen ist es nur gegeben, einen sehr kleinen Teil unseres Weges zu sehen. Er sieht alles von den Höhen seiner Unendlichkeit herab. Obwohl ich zugebe, dass schrecklich ist, was Ihr erlebt habt, dürft Ihr nicht zweifeln, dass Ihr es schließlich als etwas weit Entferntes betrachtet und dass es nur einen Teil der Gesamtsumme Eurer Tage ausmacht, die, wenn Ihr den Glauben bewahrt, gewiss insgesamt angenehm sein werden.«
Martí schwieg kurze Zeit.
»Eudald, am Grunde meines Herzens trage ich eine Wunde, die nicht vernarbt.«
»Gebt ihr Zeit...«
»Laia hat mir die schönsten Worte gesagt, die ein menschliches Ohr vernehmen kann, doch mich peinigt das Verlangen, dass ich erfahren möchte, was mit ihr geschehen ist, dass sie sich zu einer solch entsetzlichen Tat entschloss.«
»Was ihr geschehen ist, war so grausam, dass es ihren Geist verwirrt hat. Niemand auf Erden kann die Tat eines Selbstmörders gerecht beurteilen, weil man dessen Seele nicht zu ergründen vermag. Doch ich will Euch etwas sagen, was Euch das Herz erleichtern wird.«
»Worum geht es?«
Den Priester plagten heftige Zweifel, denn dies war das erste Mal, dass er etwas offenbarte, was er in der Beichte gehört hatte.
Als er schwieg, blieb Martí stehen und stellte sich vor Eudald, nahm ihn am Arm und zwang ihn, ebenfalls stehen zu bleiben.
»Redet, um Gottes willen!«
»Laia hat Euch geliebt, seitdem sie Euch kennenlernte.«
»Was sagt Ihr mir dann über das, was sie getan hat, und über ihren Brief an mich?«
»Eigentlich ist nur sicher, dass sie Euch angedeutet hat, sie liebe Euch immer noch, könne jedoch nicht Euren Wünschen entsprechen.«
»Aber... Was und wer konnte sie zwingen, diesen Brief zu schreiben, wenn es so war?«
»Die Umstände, Martí, und die Gesetze, die unsere Welt bestimmen.«
»Wenn Ihr Euch nicht klarer ausdrückt...«
»Jemand, der so mächtig ist, dass es kein vernünftiger Mensch wagen würde, sich ihm entgegenzustellen, hat Laia entehrt.«
»Das Gesetz gilt für alle.«
»Ihr wisst genau, dass es nicht so ist. Bernat wusste es und war sich bewusst, wie schwierig ein solches Unternehmen ist. Zunächst wollte er sie in ein Kloster schicken, doch als er dann sah, dass es seiner Pflegetochter immer schlechter ging, beschloss er, sie Euch als Ehefrau anzubieten, weil er glaubte, dass sich das Mädchen dadurch erholen und vielleicht sogar die Schmach vergessen könnte. Aber ihr schwacher Geist hielt der Herausforderung nicht stand, und sie glaubte sich Eurer unwürdig. Dazu kam noch etwas anderes, was sie tief erschüttert hat und was ich Euch nicht gesagt hatte, weil ich es erst vor Kurzem erfahren habe.«
»Macht Schluss, Eudald, schlimmer kann es nicht kommen.«
»Laia hat ein Kind zur Welt gebracht, das kurz nach der Geburt gestorben ist.«
74
Martí und Almodis
M artís Geschäfte waren ständig vom Glück gesegnet, und der junge Mann dachte, dies müsse wohl eine Entschädigung sein, die ihm das Schicksal für seinen großen Verlust bot. Das Haus bei der Sant-Miquel-Kirche war ausgebaut, und wieder einmal halfen ihm günstige Umstände. Ein Kaufmann, der eine große Geldsumme benötigte, erklärte sich bereit, sein Haus zu verpfänden, um ein Darlehen zu erhalten. Da Martí den Wankelmut und die Schwäche des menschlichen Charakters kannte, war er sicher, dass die Schuld am Fälligkeitstag nicht beglichen und das Pfand damit in seinen Besitz
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