Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
Vom Netzwerk:
Tür war mit einem Sack als Vorhang bedeckt, und man hörte, dass sich drinnen jemand abmühte, der einen Gegenstand schleppte. Plötzlich schob eine kleine Hand den Vorhang zur Seite, und das Männlein forderte mit seiner durchdringenden Stimme die Gäste auf, in seine Behausung einzutreten. Almodis ließ Adalbert keine Zeit, ein einziges Wort einzuwenden: Unverzüglich krümmte sie ihre hochgewachsene Gestalt und ging hinein. Ihr Bruder machte es wie sie, und der Zwerg, der herausgekommen war, um die Strickleiter einzuziehen, folgte ihnen. Das Hüttendach bestand aus Palmenblättern, die in der Mitte eine Spitze bildeten, sodass sich die beiden jungen Leute ohne Schwierigkeiten aufrichten konnten. Almodis betrachtete neugierig den Raum, und der Zwerg verfolgte ihre Inspektion mit verschmitzten und klugen Blicken. Adalbert stand verlegen und abwartend an einer Seite. Er konnte immer noch nicht glauben, was er da gerade erlebte.
    »Wie Ihr feststellen könnt«, sagte der Zwerg, »eignet sich mein Haus nicht, Besuche zu empfangen, und die Größe meiner Habseligkeiten ist meiner Person angepasst. Aber setzt Euch auf meine Lagerstatt, dann stoßen Eure Gnaden nicht mit dem Kopf an die Decke.«
    Die Geschwister wechselten einen Blick und setzten sich auf das elende Bett des Zwergs, das ein Stück entfernt an einer Wand stand. Auch ihr Gastgeber setzte sich, er nahm einen winzigen Schemel neben dem Tisch in der Mitte. Almodis’ Augen registrierten selbst den letzten Winkel der Hütte, die vom gedämpften Licht einer Öllampe erhellt wurde, und wanderten vom Feuer im kleinen Herd bis zum Fensterchen im Hintergrund, vom Tisch in der Mitte bis zu dem Holzkäfig, aus dem die runden Augen einer kleinen Eule neugierig auf sie gerichtet waren. Das Männlein folgte ihrem Blick.
    »Gefällt Euch mein Unterschlupf?«
    »Er überrascht uns über alle Maßen. Tausendmal sind wir durch den Wald gestreift, und bis heute haben wir ihn nie entdeckt.« Almodis hatte geantwortet, denn Adalbert blieb abseits, ohne dass er es wagte, den Mund aufzumachen.

    »Wie Ihr merkt, ist das meine Absicht. Dieser Ort liegt weitab von jedem Weg. Die Sagen erzählen von Hexen und Waldgeistern, die schon vor langer Zeit in einer Höhle hausten, wie es in den Gegenden hier so viele gibt. Ich habe übrigens noch nie so etwas gesehen. Die Dorfleute glauben hartnäckig daran, dass es hier lebende oder tote Wesen gibt, die etwas Ungewöhnliches an sich haben, und ich lasse üblicherweise keinen Rauch aufsteigen, wenn ich es nicht wünsche. Außerdem ist meine Hütte im Laubwerk versteckt, und die Menschen blicken viel eher nach unten, denn von oben drohen ja nur wenige Gefahren.«
    »Du hast gesagt: ›Wenn ich es nicht wünsche.‹ Wolltest du etwa erreichen, dass wir dein Versteck finden?«
    »Natürlich. Nie bringe ich jemanden zu meinem Haus, und wenn ich einen sprechen muss, treffe ich ihn in einer Höhle, die ich hierfür hergerichtet habe.«
    Almodis hörte die zögernde Stimme ihres Bruders, der es nun wagte, in das Gespräch einzugreifen.
    »Und welchen Zweck hat es, dass wir uns kennenlernen?«
    Das Männlein blickte zu der Ecke hinüber, in der sich Adalbert niedergelassen hatte.
    »Ich möchte Euch erklären, wer ich wirklich bin. Deshalb habe ich Euch hergeführt.«
    Ein langes Schweigen trat ein, und dann sprach der Kleine weiter.
    »Die Natur hat mit meinen körperlichen Gaben gegeizt, aber sie hat manchen Mangel mit anderen Fähigkeiten ausgeglichen, die mir, wenn ich sie klug gebrauche, großen Nutzen bringen können. Wenn ich sie hingegen schlecht verwende, können sie mir nicht wenige Missgeschicke zufügen.«
    »Ich weiß nicht, wer du bist, und genauso wenig, worauf du hinauswillst.«
    »Ich heiße Delfín. Ich habe überhaupt keine Angehörigen, und was die Barmherzigkeit unter den Menschen betrifft, so bin ich maßlos enttäuscht. Deshalb habe ich schon vor vielen Jahren beschlossen, auf meine jetzige Weise zu leben: Mir fehlt das Geschick, jemandem zu dienen, der dessen nicht würdig ist, und ich weiß, was mich mit meinem verkümmerten Körper erwarten würde, wenn ich bei jemandem ausharre, der meine Vorzüge nicht schätzen kann. Ich weiß aber auch, dass meine verborgenen Fähigkeiten dazu führen werden, dass ich – wenn ich mich den richtigen Leuten gegenüber angemessen verhalte – eine
glänzende Rolle in dieser angstgepeinigten Welt spiele, in der wir leben.«
    »Welche Fähigkeiten meinst du denn?«
    Der Zwerg schien seine

Weitere Kostenlose Bücher