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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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anderen, ebenso vornehmen vereinen, mit dem wir uns durch enge Bande zusammengeschlossen fühlen. Sie gehen auf den gemeinsamen Stamm beider Linien zurück, die morgen ihr Schicksal verknüpfen. Ich muss dir sagen, dass dir die Vorsehung einen Auftrag vorbehalten hat, der mich mit Stolz erfüllt und der eure Kinder und die Kinder eurer Kinder ehrt. In Gegenwart der Notare beider Grafschaften und mit hohen Herren als Zeugen, zu denen die Bischöfe von Arles und der Marche gehörten, wurden gestern eure Sponsalici unterzeichnet. Ich kann dir schon im Voraus sagen, dass du in diesem Augenblick deinen eigenen Vater an Rang und Vornehmheit übertriffst. Almodis, seit gestern bist du die zukünftige Gemahlin
des Grafen von Arles und als Verlobungsgeschenk und auf Lebenszeit Gräfin von Montpellier und Narbonne. Tatsächlich muss ich anerkennen, dass ich dir Vasallendienst und Gehorsam schuldig wäre.«
    Im Labyrinth ihres Geistes hallte immer noch ihre Antwort nach.
    »Mein Vater und Gebieter, niemals werde ich es wagen, Euch irgendetwas zu befehlen, ob nun als Gräfin von Arles, Montpellier und Narbonne oder als Königin von Jerusalem. Ich bin stolz und dankbar, meiner Heimat und Familie einen winzigen Teil der Schuld zurückzuerstatten, die ich einfach dadurch auf mich genommen habe, dass ich die bin, die ich bin, und dort geboren wurde, wo ich geboren bin. An einem solch einzigartigen Tag möchte ich Euch um etwas bitten. Ich weiß, dass ich freudig und hoch geehrt meinem Schicksal entgegengehe und dass zu meinem Gefolge außer meiner Kinderfrau mehrere Gesellschaftsdamen gehören, doch ich möchte Euch flehentlich bitten, dass Ihr mir gestattet, auch meinen lieben Bruder Adalbert und einen Hofnarren mitzunehmen, der mich in meinen Mußestunden während der langen Winterabende im fernen Montpellier unterhalten wird. Ich meine, wenn ich vor allem in der ersten Zeit Menschen um mich habe, die meine Sprache sprechen und gemeinsame Gewohnheiten mit mir haben, wird sich mein Heimweh besänftigen, und die Trennung lässt sich leichter ertragen.«
    Der Graf war so freudig gestimmt, dass er sich nicht einmal erkundigte, welcher Hofnarr der Auserwählte war, und er gewährte ihre Bitte ohne Weiteres. Zwei Stunden später kam ihr Bruder Adalbert über die Zugbrücke der Burg. Ihn begleitete ein Männlein, das auf einem jungen Esel saß und in diesem lärmenden Durcheinander von Damen, Rittern, Soldaten und Knappen vollständig unbemerkt blieb. Delfín war in ihr Leben eingetreten und würde sich nie wieder daraus entfernen.
     
    Die Damen eilten geschäftig durch den Raum. Sie trugen Töpfe mit Bleiweiß und Gefäße mit Pomaden hin und her, die in unterschiedlichen Farben glänzten. Almodis’ ovales Gesicht sah vollkommen aus, ihre rote Haarflut hob sich wirkungsvoll vom schneeweißen Widerschein ihrer Haut ab, und der Bogen ihrer Augenbrauen war mit einem braunen Stift nachgezogen, dessen Farbstoff man aus einem Meerestier der dalmatinischen Küste gewonnen hatte. Ihre Lippen waren kirschrot bemalt, und an ihnen traten ein paar glänzende Punkte hervor, die ein »numidisches Silber« genanntes Mittel bewirkte. Kaufleute brachten es aus fernen Landen mit, wenn sie von Sevilla nach Gallien reisten und dabei durch Septimanien
kamen. Ihre erste Kammerfrau hielt ihr den riesigen polierten Metallspiegel entgegen, ein Geschenk des Grafen, das man von der anderen Seite des Mittelmeers eingeführt hatte und das ihre ganze Gestalt zeigte. Eine Dame spielte auf einer neunsaitigen Harfe und trällerte eine alte Romanze dazu. Die Mägde holten die kleine Kupferbadewanne ab.
    Somit waren alle Frauen beschäftigt, als es laut an die Tür klopfte. Eine Dame ging hin und öffnete einen Flügel halb. Im Raum hörte man ein Gemurmel. Die Dame lief zur Gräfin zurück und flüsterte ihr ein paar Worte ins Ohr: »Herrin, es ist Delfín. Er bittet um eine Audienz.«
    »Lasst ihn eintreten.«
    Das Mädchen lief zu der kunstvoll verzierten Tür und ließ den Zwerg herein. Er war ungewöhnlich blass. Almodis kannte ihn ganz genau, und als sie ihn sah, gab sie eine kurze und herrische Anweisung: »Geht alle.«
    Die Frauen verschwanden wie durch einen Zauberspruch.
    Delfín kniete zu ihren Füßen nieder, nahm den unteren Rand ihres Bliauds in die Hand und küsste ihn.
    Die Gräfin wunderte sich über sein Benehmen: Es entsprach nicht seinem natürlichen Wesen, das zu Heiterkeit, Sarkasmus und Freude neigte. Immer, wenn der Zwerg in einer so ganz

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