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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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diesen verborgenen Winkel als ihr Eigentum an. Ohne dass sie Adalbert Zeit ließ, etwas einzuwenden, trieb sie ihre Stute an, und diese stürmte pfeilschnell in die gewünschte Richtung.
    Als sie sich der Lichtung näherten, wo der Rauch hervorkam, stiegen sie ab, banden ihre Tiere an den niedrigen Ast einer Korkeiche und setzten ihre Erkundung zu Fuß und äußerst vorsichtig fort. Sie gelangten nur langsam voran: Adalbert lief an der Spitze und gab acht, dass seine Schwester nicht zu weit zurückblieb; sie bewegte sich langsamer, weil sich ihre Röcke im Gestrüpp verfingen, als versuchten Hunderte von Händen, den Erfolg ihres Unternehmens zu verhindern. Ein gebieterisches Zeichen, das ihr Bruder mit der Rechten machte, veranlasste sie schließlich, ruckartig stehen zu bleiben: Der Junge hatte die Zweige auseinandergebogen, die den Blick störten, und betrachtete aufmerksam, was der Wald so gut verborgen hatte. Almodis machte die letzten Schritte, bis sie ihren Bruder erreicht hatte. Sie kauerte sich neben ihn. Ungefähr vierzig Klafter von ihrem Platz entfernt konnte man einen großen Baum sehen, auf dem in beträchtlicher Höhe über dem Boden, dort, wo sich drei dicht belaubte Äste kreuzten, eine Hütte emporragte, die aus Baumstümpfen, Knüppelholz, Zweigen und Laubwerk bestand und aus deren primitivem Schornstein jene Rauchsäule stieg, die ihnen aufgefallen war. Sie hatten noch keine Zeit gehabt, einen Entschluss zu fassen, als der Vorhang aufging, der vor dem Eingang dieser sonderbaren Zufluchtsstätte hing. Aus dem Innern der eigenartigen Hütte tauchte ein Männlein auf, das keine
Viertelelle groß sein mochte und dessen leichter und gekrümmter Körper auf zwei kurzen Beinchen stand. Der Kleine trug ein Wams von ausgeblichener bräunlicher Farbe, das er mit einem Strick um die Taille gegürtet hatte, und er bedeckte seine winzigen unteren Gliedmaßen mit eng anliegenden Beinkleidern, die kurz wie ein Stoßseufzer waren und die er mit je einem Lederband an seinen dürren Waden befestigt hatte. Die Beinkleider endeten in zierlichen Halbstiefelchen, und eine Schaffelljacke schützte seinen Oberkörper. Seine lange Haarmähne, die ebenso verfilzt wie der Bart war, fiel ihm auf den gewölbten Rücken. Adalbert stieß Almodis mit dem Ellbogen leicht an und legte den Zeigefinger an die geschlossenen Lippen, um Schweigen zu gebieten. Der Zwerg wandte sich ihnen unerschrocken zu und sprach mit durchdringender, lauter und klarer Stimme, die zu seiner Gestalt passte.
    »Hohe Herrschaften! Ihr befindet Euch im Gebiet des Herrn dieses Waldes. Seid willkommen, wenn Ihr Euch in friedlicher Absicht nähert, und möge Euch die Hölle verschlingen, wenn Ihr boshafte Pläne verfolgt und das Übel am Grund Eures Herzens haust.«
    Adalbert wartete stumm, doch Almodis trat aus ihrem Versteck und lief weiter, bis sie unter dem großen Baum auf der Lichtung stand.
    »Weißt du, wer ich bin?«
    »Almodis de la Marche, die junge Gräfin dieser Gegenden, deren unübersehbare Neugier sie in mein Gebiet geführt hat und die in Begleitung ihres Bruders kommt, den ich auffordere, aus dem Dickicht hervorzutreten und sein Gesicht zu zeigen.«
    Almodis beobachtete, wie Adalbert hervorkam, wobei er besorgter war, als er zugeben wollte.
    »Und wer bist du?«
    »Wie Ihr wohl merkt, weiß ich mehr über Euch als Ihr über mich. Aber wir können uns besser unterhalten, wenn Ihr mir den Gefallen erweist, die Gastfreundschaft meines Palastes anzunehmen.«
    Bei diesen Worten hakte der Zwerg eine einfache Strickleiter los, die neben ihm lag. Er warf sie am Stamm der Korkeiche hinunter, bis ihre letzte Sprosse vor die Füße des verblüfften Paars fiel.
    Die Geschwister gingen zum Ende der Strickleiter, die zwischen beiden herabhing. Das Männlein war von der Plattform verschwunden und wieder in die Hütte gegangen. Adalbert zögerte einen Augenblick, und als er gerade seiner Schwester erklären wollte, dass es vielleicht klüger sei, den Ort zu verlassen, sah er, dass sie mit hochgerafften Röcken
schon den Aufstieg begonnen hatte und sich auf der dritten Sprosse befand. Neben ihm schwankte das Ende der Strickleiter, und da er begriff, dass er seine ursprüngliche Absicht nicht erreichen konnte, stemmte er lediglich den rechten Fuß auf das Ende der Strickleiter, um sie festzuhalten und seiner Schwester den Aufstieg zu erleichtern. Im Handumdrehen standen beide auf der Plattform, die die Hütte trug. Die Hütte hatte andere Abmessungen. Die

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