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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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die strahlenden Kerzen und sogar die Gestalt seines Gastgebers verschwinden. Als er vor sie trat, beugte er das Knie. Ihre rote Haarflut, die grünen und geheimnisvollen Augen bildeten eine vollkommene Einheit mit dem goldenen Spitzensaum, der ihren Ausschnitt umrandete und die Einbuchtung zwischen ihren runden Brüsten verdecken sollte. All das zog seine Blicke übermächtig an: Er konnte nichts mehr sehen, was nicht sie war. Er ließ sich von dem Zauber gefangen nehmen, der von der sinnlichen Erscheinung der Gräfin ausging.
    Graf Ramón Berenguer erhob sich langsam, und nachdem ihn Pons von Toulouse hierzu aufgefordert hatte, setzte er sich dem Paar gegenüber.

    »Seid gegrüßt, Graf, in dieser bescheidenen Herberge, in der die Söhne Eures Vaters stets willkommen sind. Wie geht es Euren Brüdern Sancho, Guillermo und Bernardo?«
    »Sancho ist Prior in Sant Benet. Mit Guillermo und Bernardo, meinen anderen Brüdern, den Söhnen Doña Guislas von Lluçà, der zweiten Gemahlin meines Vaters, fühle ich mich eng verbunden. Sie haben noch nicht geheiratet. Sie sind ja noch sehr jung.«
    Nach diesen höflichen Vorreden wandten sie sich dem eigentlichen Grund seiner Anwesenheit im Schloss zu.
    »Ich habe gehört, dass Ihr eine lange Fahrt in die östlichen Länder unternommen habt.«
    »So ist es. Auf meiner Reise wollte ich Handelsbeziehungen mit Byzanz herstellen und Jerusalem aufsuchen. Die Verhältnisse im Heiligen Land sind verworren, und der Heilige Vater hat mich gebeten, dass ich auf meiner Rückfahrt nach Rom komme und ihn persönlich unterrichte. Er meint, dass wir, die Herrscher in Ländern, die den Reichen des Islam nahe sind und deshalb Streitigkeiten mit ihm hatten und haben, besser als jeder andere wissen, wie wir die Ungläubigen behandeln müssen, wie sie sich verhalten und welche heimlichen Winkelzüge sie in ihrer Diplomatie benutzen. Darum hat er meinen bescheidenen Rat erbeten.«
    In dieser ganzen Zeit sagte die Gräfin kein einziges Wort. Trotzdem spürte Ramón Berenguer auf seiner Haut, dass sie ihn mit ihren grünen und gebieterischen Augen eindringlich anblickte.
    Nach einem einstündigen Gespräch entschuldigte sich der Herr von Toulouse.
    »Gewiss werdet Ihr mir verzeihen, weil ich alle Vorschriften, die ein guter Gastgeber beachten muss, übertreten habe: Ich habe Euch zu mir kommen lassen, ohne auch nur so höflich zu sein, Euch Erholung zu gönnen. Aber hier bieten sich uns wenig Gelegenheiten, mit wohlunterrichteten Leuten zu plaudern. Jedenfalls möchte ich versuchen, meine mangelnde Rücksichtnahme wiedergutzumachen. Mein alter Körper erträgt keine langen Nachtwachen, um diese Zeit habe ich mich an anderen Tagen schon in meine Gemächer zurückgezogen. Wenn es Euch nichts ausmacht, wird Euch meine liebe Frau beim Abendessen mit ihrer Anwesenheit beehren.«
    Ramón Berenguers Herz klopfte schneller, weil es ihm vergönnt war, den Abend gemeinsam mit einer solch geheimnisvollen Frau zu verbringen.
Was Pons von Toulouse allerdings hinzufügte, dämpfte seine Begeisterung.
    »Mein Kammerherr und der Beichtvater der Gräfin werden Euch gewiss gern Gesellschaft leisten. Ihre Bildung und ihre Gesprächskunst werden Euch überraschen und Euren Aufenthalt bei uns angenehmer machen.«
     
    Gräfin Almodis hatte unbeirrt die Zwiesprache zwischen ihrem Gatten und dem stattlichen Gast verfolgt. In ihrem vierunddreißigjährigen Leben hatte sie schon eine Reihe von Zwangslagen erlebt, die sich aus den Interessen ihrer Familie ergaben und bei denen sie und ihre Schwestern Llúcia und Rangarda als Tauschobjekte dienten. Die erste heiratete, nachdem die Ehe mit Guillem von Besalú fehlgeschlagen war, Artal, den Grafen von Pallars, und die zweite Peire Roger, den Grafen von Carcassonne. Sie selbst musste den bittersten Kelch dieser ganzen Leidensgeschichte trinken. Als Zwölfjährige heiratete sie Guillaume III. von Arles. Obwohl der Heilige Vater wegen des kindlichen Alters der Braut die Ehe für ungültig erklärte, musste Almodis bereits in diesem Alter den Verlust ihrer Jungfräulichkeit erfahren. Dieses Erlebnis verletzte sie seelisch für immer und prägte ihr Schicksal. Hierauf gab man sie Hugo dem Frommen, dem Herrn von Lusignan. Er machte ihr ein Kind, danach verstieß er sie und nahm ihr den kleinen Sohn fort: eine Staatsangelegenheit, erklärte man ihr diesmal. Schließlich geriet sie in das Bett des Grafen Pons von Toulouse. Aus dieser Ehe entsprangen vier Kinder: drei Jungen und ein

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