Das Vermächtnis des Martí Barbany
entschloss sich rasch.
»Ich komme mit dir. Ich werde in der Hoffnung leben, mich für das zu rächen, was man mir angetan hat.«
»Der Hass hilft, das Leben zu bewahren. Obwohl es eine unnütze Torheit ist, von hier entkommen zu wollen. Das ist noch keinem gelungen.«
»Mir gelingt es, und jemand wird für das büßen, was er mir angetan hat.«
76
Barcelona
D ie ganze Stadt war in diesem Frühling in Feststimmung. Die Neuigkeiten gewannen immer gewaltigere Ausmaße, indem sie von Mund zu Mund weitergetragen wurden. Wenn man in einer Straße kommentierte, dass die Heerschar, die den Botschafter des sevillanischen Königs al-Mutamid begleitete, aus dreihundert Lanzenreitern mit silbernen Brustharnischen bestand, so hatten sich ihre Zahl und der Pomp vergrößert, wenn die Nachricht in die nächste Straße gelangte: Nun waren es fünfhundert Männer mit goldenen Brustpanzern, und die Satteldecken ihrer Pferde sollten aus mit Edelsteinen besetzter Seide sein. Der Veguer hatte angeordnet, verschiedene Bekanntmachungen auszurufen, in denen man alles Mögliche ankündigte, was mit dieser Gesandtschaft zu tun hatte. Die Ausrufer liefen mit Horn und Handtrommel durch die Stadt, blieben an jeder Ecke stehen und waren von fröhlichen Kinderscharen umringt, während sie die Anweisungen mitteilten, die alle Bürger betrafen. Bei einer Gelegenheit musste der Führer der städtischen Truppen einschreiten, weil sich eine der Bestimmungen äußerst schädlich auswirkte: Als befohlen wurde, dass man die Amphoren mit den Urinvorräten, die zum Bleichen der Wäsche bestimmt waren, im Hausinnern aufzubewahren habe, um den starken Ammoniakgeruch zu vermeiden, brach beinahe eine Meuterei aus, denn die aufsteigenden Gase sammelten sich unter den Dächern, und der Gestank war unerträglich. Hier und da musste sogar der Arzt kommen, weil mehr als eine Frau ohnmächtig geworden war.
Die Schmieden hatten Tag und Nacht gearbeitet, um die erforderliche Zahl an Laternen fertigzustellen. Barcelona vibrierte während dieser Tage in einem hämmernden Rhythmus, und die Leute wunderten sich über das emsige Treiben der Stadtobrigkeit. An den Straßenecken und Plätzen brachte man in zweieinhalbfacher Mannshöhe so etwas wie Eisenkäfige
an, die oben offen waren und in der Mitte einen Vorratsbehälter hatten, aus dem ein Docht herausragte. Er wurde mit einer Zange lang gezogen, bis er die erforderliche Größe erreichte. Die Leute stellten Vermutungen über den Nutzen dieser Apparate an. Als die neuen Geräte nach ein paar Wochen in Gang gesetzt wurden, hörte man jedoch innerhalb der Stadtmauern überall bewundernde Ausrufe. Am Abend schwärmten Gemeindebedienstete in der ganzen Stadt aus. Sie trugen Stangen mit einer Zange an ihrem Ende. Diese handhabte man von unten mit einer Schnur, und damit richtete man die Dochte gerade. Am Stangenende befand sich außerdem ein brennender Wollstreifen, und mit ihm zündete man die Dochte an. Sie waren in das schwarze Öl eingetaucht, mit dem der Vorratsbehälter des Apparats gefüllt war. So bot das nächtliche Barcelona auf einmal ein ganz anderes Erscheinungsbild. Mit einem kleinen Gefolge, zu dem Delfín und ihre erste Dame Lionor gehörten, kam die Gräfin in einer geschlossenen Sänfte auf die Straßen hinaus, um sich zu überzeugen, dass die Stadt wirklich so prächtig aussah, wie man es ihr versprochen hatte. Sie verließ das Schloss, bewegte sich durch das Call und passierte das Bischofstor, um den Palau Menor zu erreichen. Von dort aus kehrte sie ins Schloss zurück und fühlte sich höchst zufrieden mit dem, was ihre Augen erblickt hatten. Neben ihr ritten der Veguer Olderich von Pellicer und der stolze Bernat Montcusí, der vor Freude ganz außer sich war.
Sobald die Sänfte auf dem mit Steinplatten ausgelegten Boden des Waffenhofs stand, stieg die Gräfin aus.
»Veguer, ich muss Euch beglückwünschen. Ich hätte kaum behaupten können, dass die Stadt, die meine Augen betrachtet haben, das alte Barcelona ist.«
»Herrin, Euer Lob überwältigt mich. Aber ich bin nicht für dieses Wunder verantwortlich. Rechnet es Eurem Ratgeber für Versorgung an. Er ist auf diesen Einfall gekommen und hat ihn ausgeführt.«
Almodis wandte sich dem Ratgeber zu und erklärte: »Nun gut, Bernat. Mir ist nur eines nicht klar: Was geschieht, wenn wir uns an diese Annehmlichkeit gewöhnen und widrige Umstände, denen uns das Schicksal stets aussetzt, uns der Vorräte dieses wunderbaren Erzeugnisses
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