Das Vermächtnis des Martí Barbany
berauben?«
Montcusí platzte beinahe vor Stolz.
»Ich könnte kaum ein guter Diener sein, wenn ich so etwas nicht vorausgesehen hätte. Die Vorräte für vier oder fünf Monate sind schon wohl verwahrt, und so wird es immer sein.«
»Richtet Eurem jungen Freund meine Glückwünsche aus. Wenn alles so kommt, wie ich es hoffe, werdet Ihr alle nach den Festlichkeiten zum Empfang des Gesandten einen großzügigen Beweis für die Dankbarkeit Eurer Gräfin erhalten.«
Nach diesen Worten schritt Almodis de la Marche ins Grafenschloss. Ihr Hofnarr rannte ihr eilig hinterher und zupfte an ihrem Mantel.
»Was willst du, Delfín?«
»Herrin, traut diesem Mann nicht. In seinem Blick lauert Niedertracht.«
»Das weiß ich, Delfín... Aber man kann nicht bestreiten, dass er uns nützliche Dienste leistet.«
Ruth geriet in immer größere Unruhe. Martís Besuche bei ihrem Vater häuften sich. Er und ihr Vater besprachen viele Themen – das Vorratslager im Keller seines Hauses, den Kauf eines weiteren Grundstücks, die Frachten für die Schiffe und so manches andere -, und wie sie feststellte, erschien er zu den Treffen gern etwas früher, damit er eine Weile mit der Tochter seines Freundes plaudern konnte. Sie begriff jeden Tag mehr, dass es ihr Lebenszweck war, diesen Mann zu lieben, und dass es ihr auf alles Übrige wenig ankam. Sie hatte sich eine Geschichte ausgedacht, die, ohne dass es Martí ahnte, ihre eigene war, und diese nutzte sie nun, um seinen Rat zu erbitten und so weitgehend wie nur möglich seine Nähe zu suchen.
Wie beinahe immer war er an diesem Nachmittag ziemlich früh eingetroffen. Ruth sah ihn vom Fenster des Zimmers aus kommen, das sie mit Batsheva gemeinsam bewohnte. Als ihre Schwester bemerkte, wie hastig Ruth zum Spiegel stürzte und sich den Zopf zurechtzupfte, kommentierte sie: »Dir gefällt es offenbar, dich dem Gerede der Erwachsenen auszusetzen. Er hat nicht das passende Alter für dich, und er ist auch kein Jude. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie weit du es mit dieser sonderbaren Idee noch treibst.«
»Kümmere dich um dein Problem, dass du von der Frauengalerie der Synagoge dem langweiligen Ishaí Melamed nachspionierst, damit du ihm rein zufällig am Ausgang begegnen kannst. Vielleicht wirst du ja irgendwann eine reizlose jüdische Ehefrau, kochst koscheres Essen, am Sabbat Haroset , ziehst einen Haufen Rotznasen groß und singst wohlklingende Lieder beim Lichterfest. Mir ist es lieber, dass ich ledig bleibe und mich mit dem unterhalte, mit dem es mir gefällt.«
Nach diesen Worten rannte sie zur Treppe. Einen Augenblick später stand sie unter der Kastanie und nahm begierig auf, was Martí sagte.
»Dann gebt Ihr zu, dass Euch ein Junge gefällt«, erklärte er.
»So ist es. Aber er macht sich nichts aus mir, und außerdem ist es eine unmögliche Liebe.«
Der heitere und zwanglose Ton des Mädchens amüsierte Martí und verscheuchte seinen Kummer.
»Lasst nicht locker. Am Ende ergibt sich jede Burg, wenn Cupido angreift.«
»Ihr ratet mir also, dass ich nicht verzichten soll?«
»Ich bin nicht der Richtige, um einem jungen Mädchen Ratschläge zu erteilen. Aber im Krieg wie sonst im Leben siegt immer der, der sich hartnäckig bemüht.«
»Etwas Ansehen habe ich bei Euch gewonnen: Früher war ich immer ein kleines Mädchen, jetzt bin ich schon ein junges Mädchen.«
Ruth gelang es mit ihren Antworten immer, Martí aus der Fassung zu bringen.
»Ich meine, dass man in jedem Lebensabschnitt Hindernisse überwinden muss. Diesen Rat gebe ich Euch ganz im Allgemeinen.«
»Und wenn es viele Hindernisse gibt?«
»Umso eifriger müsst Ihr Euch bemühen.«
Das Mädchen schien kurz zu zögern.
»Und wenn uns außer anderen Problemen zum Beispiel auch noch die Religion trennt, was würdet Ihr dann raten?«
»Es ist sehr schwer, einem anderen einen Rat zu geben. Ich kann Euch nur von mir erzählen. Ich habe ein anbetungswürdiges Mädchen hoffnungslos geliebt, dessen Rang und Stellung nicht mit mir zu vergleichen waren, und trotzdem habe ich nicht aufgegeben.«
»Liebt Ihr sie nicht mehr?«
»Ich liebe ihr Andenken weiter.«
Ruth kannte das Drama, das Martí durchlitten hatte. Darum wählte sie nun ihre Worte vorsichtiger.
»Sie war glücklich, weil sie eine so innige Liebe erlebt hat. Ich beneide sie.«
Ein Schatten verdüsterte Martís Blick.
»Mein Gott hat sich auch in sie verliebt, und er war mächtiger als ich. Darum hat er sie zu sich genommen. Beneidet sie
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