Das Vermächtnis des Martí Barbany
die Kleidung des barcelonischen Heeres waren durchnässt, die Rüstungen überzogen sich mit Rost, und überall stank es nach Moder. Es fiel schwer, die Lagerfeuer zu unterhalten, sodass die Verpflegung kalt verteilt wurde. Eine akute Dysenterie suchte die Truppe heim, und deshalb mussten die Kriegsbaumeister neue Kloaken ausheben. Als wäre das alles noch nicht genug, führten die Untätigkeit und das Eingesperrtsein in den Zelten zu Streitigkeiten und Schlägereien, wobei es um ein Würfelspiel oder um andere Bagatellen ging. Damit es an nichts fehlte, litt der Schwarm der Parias, der wie gewöhnlich den Soldaten folgte, an den gleichen Übeln. Die Hungersnot hatte unter ihnen Opfer gefordert, und
mehr als eine Leiche lag am frühen Morgen bei den Palisaden. Schuld daran war nichts anderes, als dass man versucht hatte, eine Wurst, einen Lammschlegel oder eine andere Kleinigkeit zu stehlen.
Almodis plauderte in ihrem Zelt, das neben dem des Grafen, jedoch etwas abseits stand, fand in dessen großem Zelt doch täglich ein Kriegsrat mit dem Seneschall und den Hauptleuten statt, sodass man sich dort unmöglich erholen konnte.
Durch die Öffnung des kegelförmigen Zelts drang nur spärliches Licht ein, denn die Vorhänge aus geteertem Leder mussten zugezogen bleiben, damit das Wasser nicht hineinströmte. Trotzdem hatte man Tongefäße an strategischen Punkten auf den Boden gestellt, um zu verhindern, dass das Regenwasser eine Pfütze bildete und den Teppich verdarb. Zwei fünfarmige Kandelaber sorgten für genügend Helligkeit, damit man sich sehen und miteinander reden konnte, aber es reichte nicht für Handarbeiten oder zum Lesen. Zu Füßen der beiden Damen saß Delfín auf seinem kleinen Schemel. Er war schweigsam und schlecht gelaunt, denn die Feuchtigkeit peinigte seine übel mitgenommenen Knochen.
»Was hältst du von alledem, Lionor?«, fragte die Gräfin.
»Dass wir in eine schlimme Lage geraten sind, Herrin. Der Krieg ist schon an sich eine schrecklich unangenehme Sache. Und wenn wir dann noch ein solches Höllenwetter haben und endlos lange warten müssen …«
»Und du, Delfín, mein Freund, was meinst du dazu?«
Delfín antwortete, während er mit einer Schaufel die Glut in dem riesengroßen Kohlenbecken umdrehte: »Herrin, eher wachse ich noch, als dass uns der Maure mit Truppen unterstützt.«
»Was deutest du an?«
»Ich deute nicht an, ich erkläre nachdrücklich. Schon bevor wir aus Barcelona aufgebrochen sind, wusste ich, dass diese Geschichte mit einem Unglück enden würde.«
»Und warum hast du mir nichts gesagt?«
»Wer bin ich denn, ich armer Wurm, dass ich versuchen sollte, einen Feldzug aufzuhalten, der so große Erwartungen weckte? Glaubt Ihr etwa, jemand hätte auf einen buckligen Hofnarren gehört? Wenn ich mich laut gemeldet hätte, um das Unternehmen zu verhindern, hätte man mich mindestens verprügelt, wenn man mir nichts Schlimmeres angetan hätte.«
»Ich habe immer auf deine Warnungen gehört.«
»Ja, wenn sie sich auf Eure Person bezogen haben. Aber dieses ganze Unternehmen aufzuhalten, weil der Hofnarr der Gräfin eine Vorahnung hatte, das widerspricht jeder vernünftigen Überlegung. Man wollte Tribute und Ehren gewinnen, das Volk war begeistert, und die Truppen witterten Beute und guten Sold. Was blieb da anderes übrig, als Euch bis zum Tod zu folgen?«
»Und was sagst du voraus?«
»Der Maure wird sich nicht zeigen, und es wäre Wahnsinn, dieses Abenteuer allein und ohne Hilfe zu versuchen. Wenn man so an das Unternehmen heranginge, würde es die katalanischen Waffen in Verruf bringen. Murcia ist eine mit Zinnen bewehrte und gut verteidigte Stadt, ganz abgesehen von der Hilfe, die aus anderen Königreichen kommen kann.«
Kaum hatte er diese Worte gesagt, da kündigte plötzlicher Lärm an, dass sich Bewaffnete auf ein Hornsignal hin dem Zelt des Grafen näherten.
Lionor schaute durch die Zelttür, um festzustellen, wen das Signal meinte, und sogleich kehrte sie besorgt zurück.
»Herrin, der Seneschall und alle Hauptleute kommen zusammen. Es ist eine Gesandtschaft der Mauren eingetroffen. An der Tür haben sie ihre nach muslimischer Art aufgezäumten Pferde stehen lassen.«
Am Abend, während der Regen unablässig weiter auf die gespannte Zeltleinwand trommelte, unterhielten sich Almodis und Ramón, und er lief dabei mit langen Schritten hin und her.
»Der Gesandte erklärt, das Hochwasser des Guadiana habe die Reiterei und alle Wagen mit den
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