Das Vermächtnis des Martí Barbany
aber darauf kommt es nicht an: Ich bin schon an Eure Rücksichtslosigkeiten und Frechheiten gewöhnt. Meine Beschwerden sind so zahlreich wie die Sterne am Himmel und ebenso Eure Beleidigungen. Was ich Euch zu sagen habe, wird vom Schlossgesinde überall weitererzählt, also ist es unwichtig, dass Eure Diener anwesend sind. Ich denke mir, dass die Klatschbase, die Ihr aus Frankreich mitgebracht habt, und die Missgeburt, die Euch an den
Abenden unterhält, über alles genau Bescheid wissen, was man in den Küchen tratscht.«
Lionor und Delfín hatten ihre Plätze eingenommen, blickten ihre Herrin weiter unverwandt an und hörten mit offenem Mund den gegen sie gerichteten giftigen Schmähreden zu.
»Alle kennen Eure Art, und Ihr könnt niemanden mit Euren Sarkasmen treffen«, antwortete Almodis. »Ihr wisst ja, es beleidigt nicht, wer will, sondern wer kann. Kommen wir gleich zum Ende. Was hat Euch diesmal getrieben, in meine Zimmer einzudringen, ohne anzuklopfen und ohne eingeladen zu sein?«
»Dass man mich wieder einmal vor dem ganzen Hof zurückgesetzt und gedemütigt hat.«
»Ich verstehe nicht, worauf Ihr hinauswollt. Ich hatte nichts damit zu tun, und Ihr solltet Euch lieber bei Eurem Vater beschweren, denn er hat sich gewiss wegen Eures Benehmens am Tag des Gefangenenfreikaufs beleidigt gefühlt, wie man mich unterrichtet hat.«
»Man hat Euch falsch unterrichtet. Ich habe nichts zum eigenen Vorteil getan. Ihr verwechselt es mit kleinlichen persönlichen Interessen, wenn man die Interessen der Grafschaft verteidigt.«
»Nehmen wir einmal an, dass die Gründe, die Ihr anführt, so sind, wie Ihr sagt. Dann habt Ihr sie durch die Art entwertet, wie Ihr Euch benommen habt.«
»Herrin, es ist sehr leicht, in der ruhigen Atmosphäre Eurer Gemächer zu urteilen. Dort war die Lage anders. Alle Mitglieder der Gesandtschaft waren zutiefst erregt, es ging darum, das Ansehen der Grafschaft zu schützen. Außerdem weiß ich nicht, warum ich versuche, Euch Kriegsereignisse zu erklären: Ihr seid eine Frau und unterliegt den Beschränkungen, die diesem Geschlecht eigen sind.«
Almodis bekam das Ganze satt und war nicht bereit, weitere Unverschämtheiten hinzunehmen.
»Diese Frau, die Ihr so unhöflich behandelt, hat Barcelona schon mehr Gutes getan, als Ihr in Eurem ganzen Leben leisten werdet.«
»Vor allem, wenn man mich vollständig an den Rand drängt und versucht, meine Rechte zu beschneiden.«
»Noch ist nicht die Zeit gekommen, sie auszuüben, vorausgesetzt, dass Euer Verhalten es nicht ganz verhindert.«
»Genau das wollt Ihr erreichen, seitdem Ihr Euch in das Leben dieser Familie eingemischt habt.«
»Also, machen wir Schluss mit dieser Posse. Was wollt Ihr diesmal?«
»Ich habe gehört, dass es mein Vater für richtig gehalten hat, Euch für Dienste zu bezahlen, die ich nicht kenne, wohl aber ahne. Nun, ich glaube, er kann mit seinem Geld tun, was er will, jedoch nicht mit meinem. Darum verlange ich von Euch, dass Ihr mir den Teil zurückgebt, der mir zusteht.«
Die Gräfin dachte sorgfältig nach, was sie antworten sollte.
»Was Euer Vater mit seinem Geld tun kann, wie Ihr sagt, ist nicht meine Sache, und wenn er es für richtig gehalten hat, alles zu bedenken, was ich unter großen Mühen für die Grafschaft geleistet habe und leiste, so müsst Ihr Euch bei ihm beschweren. Was mich betrifft: Alles, was ich für Euch tun kann, ist, dass ich Euch auf die Liste meiner Notleidenden setzen lasse, die jeden Mittag an den Türen der Kathedrale eine Armensuppe erhalten, denn Ihr seid wirklich arm an Geist. Falls Ihr mir nichts weiter zu sagen habt, bitte ich Euch jetzt, dass Ihr mich mit den Menschen allein lasst, die mir unbestreitbar bessere Augenblicke als die verschaffen, wie ich sie jedes Mal erlebe, wenn Ihr herkommt, um mir etwas zu sagen.«
Delfín hatte das Pech, dass er Pedro Ramón im Wege war, als dieser rot vor Zorn aus dem Zimmer stürmte. Der Hofnarr stürzte samt seinem winzigen Schemel zu Boden, als ihm der gereizte Prinz einen brutalen Fußtritt versetzte.
93
Freitagmittag
A m Freitag, als die Glocken zum Angelusgebet läuteten, trat der aufgeregte Martí Barbany zusammen mit dem Beichtvater der Gräfin durch die Tore des Grafenschlosses, denn Almodis hatte ihn eingeladen. Eudald Llobet, der wusste, warum die Gräfin Martí zu sich bestellt hatte, lächelte in sich hinein, weil er daran dachte, welch unermessliche Freude seinen Schützling erwartete.
»Habt Ihr eine Vorstellung,
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