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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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insgesamt zur Wiedergutmachung des Schadens und zu den Zinsen, welche die Schuldsumme während der zehnjährigen Frist bringt, die Wir in Unserer Gnade für die Rückerstattung der Summe bewilligt haben. Gleichwohl verbieten Wir ausdrücklich jeden Überfall oder Angriff gegen zum Call gehörende Personen oder Güter, und wer es wagen sollte, Unsere Anordnungen zu missachten, wird öffentlich mit fünfzig Peitschenhieben bestraft.
    Der barcelonische Bürger Baruch Benvenist soll mit einem Hanfstrick am Hals aufgehängt werden, bis sein Tod eintritt. Der Galgen soll am Regomir-Tor aufgerichtet werden, und die Hinrichtung wird am Nachmittag des 10. Dezember des Jahres 1058 stattfinden.
    Unterzeichnet von RAMON BERENGUER, Graf von Barcelona
     
    Als Martí von dem Urteil erfahren hatte, entfaltete er eine fieberhafte Tätigkeit, während sich Ruth in ihrem Zimmer einschloss und hemmungslos weinte. Er lief zu Benvenists Haus, wo man schon dabei war, alle persönlichen Habseligkeiten in Körbe zu packen, denn das war das Einzige, was die Familie in die Verbannung mitnehmen durfte. Rivka lag im Bett, und Esther stand ihr mit einem Fläschchen Riechsalz bei, während die Diener stumm hin und her liefen. Mehrere Steuerbeamte
wachten darüber, dass niemand etwas im Arbeitszimmer des Geldverleihers anrührte. Batsheva ging zu Martí und fragte ihn flüsternd nach ihrer Schwester.
    »Seid ruhig. Vertraut mir. Morgen will ich versuchen, Euren Vater zu sehen, und man wird tun, was er sagt. Richtet Eurer Mutter aus, sie soll sich jetzt wegen dieser Angelegenheit keine Sorgen machen.«
    Der Rabbiner Melamed gab ihm zu verstehen, dass er mit ihm reden wollte. Beide gingen zum Kastanienbaum im Garten.
    »Nun, mein Freund«, begann Batshevas Schwiegervater, »wie Ihr sicher versteht, ist der Auftrag, der mich beschäftigt, keine Freude für mich. Trotzdem ist es meine Pflicht als Ishaís Vater und Rabbiner, meine Aufgabe möglichst gewissenhaft zu erfüllen.«
    »Ich höre Euch zu.«
    »Niemand redet darüber, aber die Leute wissen es.«
    »Was wissen sie?«
    »Wir sind ein diskretes Volk, das zu schweigen versteht. Damit wir überleben können, haben wir gelernt, uns nicht in das Leben der anderen einzumischen.«
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    »Vielleicht kann man sich in Barcelona über die Lage hinwegsetzen, aber nicht im Call .«
    »Wenn Ihr nicht deutlicher mit mir redet, errate ich nicht, worauf Ihr hinauswollt.«
    »Das ist nicht schwer: Wir wissen, dass Ruth, Baruchs kleine Tochter, in Eurem Haus Aufnahme gefunden hat. Bisher hat sich niemand darum gekümmert, weil Baruch beschlossen hatte, sie nach dem Euch wohlbekannten Zwischenfall von seinem Haus fernzuhalten, und weil damit die Ehre der Benvenists gewahrt blieb. Aber die Verhaftung meines Mitschwiegervaters verschlimmert die Lage beträchtlich. Binyamin Haim, Esthers Mann, hat mich heute Morgen getroffen. Für ihn ist der Himmel eingestürzt. Seine Familie ist in Besalú sehr bekannt und bereit, Rivka bei sich aufzunehmen, aber sie will Ruth nicht sehen. Zu der Schande, der Schwiegersohn eines Hingerichteten zu sein, so ungerecht das Urteil auch sein mag, käme die Schmach hinzu, eine Frau zu beherbergen, die gewissermaßen ihre Familie entehrt hat. Batsheva gehört seit ihrer Heirat zur Familie ihres Gatten, ebenso wie Esther zu der Haims: Für sie gilt das Urteil nicht.«
    Martí erblasste.

    »Ich weiß nicht, wo das Gemeinschaftsgefühl mancher Leute bleibt, und ich will diese kleinliche Haltung auch nicht dem ganzen jüdischen Volk zuschreiben. Aber sagt dem, den es angeht, dass er sich keine Sorgen machen soll: Ich kümmere mich um das Problem.«
    »Nehmt es nicht übel. Die Gemüter sind sehr erregt. Vielleicht, wenn sich die Dinge beruhigen …«
    »Ich verstehe. Ich werfe es Euch nicht vor. Ihr seid nur der Sendbote.«
    Nach diesem Gespräch ging Martí fort, nachdem er Rivka und Batsheva gesagt hatte, dass er zurückkommen werde.
    Als er das Call verließ, lief er unverzüglich zur Kathedrale, um sich mit Eudald zu beraten.
    Der Domherr, der schon das ganze Drama kannte, empfing ihn in seinem eigenen Zimmer.
    »Das sind schreckliche Zeiten, lieber Freund«, sagte sein Freund seufzend.
    »Und sie sind sehr ungerecht. Jemand hat Baruch als Sündenbock ausgesucht.«
    »Ich ahne, wer das ist, obwohl mir meine Erfahrung mit den Mächtigen sagt, dass es irgendeiner sein könnte. Ihr wisst ja, dass der Sieg tausend Väter hat und die Niederlage ein Waisenkind

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