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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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letzten Augenblick ihren größten Hass erregte, war die der Almodis de la Marche, die sie vor dem Papst
verteidigen musste, um die Regierung der Grafschaften zu sichern. Wie viele Träume waren zerronnen, und wie viele Mühen hatten sich nicht gelohnt! Im tiefsten Herzen wusste sie, dass sie in diesem Augenblick, da sie aus dem einen Leben schied, um zu einem neuen wiedergeboren zu werden, Almodis verzeihen musste: Der Stolz, der nichts mehr nutzte, würde sie nicht daran hindern, sich vor den Augen des Höchsten zu demütigen. Unter unsäglichen Mühen gab sie durch ein Zeichen zu verstehen, dass sie verzieh: Sie wollte es nicht zulassen, dass dieses Kebsweib recht behielt und sie nicht zur ewigen Seligkeit eingehen ließ.
    Ramón Berenguer hatte alle Übrigen aus dem Zimmer geschickt. Almodis war als Einzige bei ihm geblieben. Er wollte nicht, dass jemand Zeuge dieses Augenblicks würde. Er war sich bewusst, dass er seine Grafschaften den Machtträumen seiner Familie verdankte, die diese Frau gefördert hatte. Diese winzige Gestalt, die sich unter der Bettdecke kaum abzeichnete, besaß eine verborgene Kraft, eine Beharrlichkeit und einen Willen, um die sie die berühmtesten und kühnsten Männer seiner Länder beneideten. Ramón Berenguer nahm ein Kruzifix und legte es ihr in die Hände. Er seufzte tief, und dann sprach er mit stockender Stimme: »Ermesenda, liebe Großmutter, ruht in Frieden.«
    Hinter ihm erklang Almodis’ Stimme.
    »Ruht in Frieden und lasst uns, die hierbleiben, in Frieden leben. Möge der Herr Euch barmherzig in sein Reich aufnehmen. Aber Er soll sich vor Euch hüten: damit es nicht so kommt, dass Ihr den Himmel regieren möchtet, wie Ihr Eure Grafschaften regieren wolltet.« Beinahe unhörbar flüsterte sie dann: »Jetzt gehört alles mir, Herrin.«

99
    Das Urteil
     
    D as Urteil wurde in größter Eile verkündet. Zwei Wochen nach seiner Verhaftung verurteilte man Baruch. Der Richterspruch erschütterte das ganze Call , und als man ihn verlesen hatte, führte das bei den Gemeindemitgliedern zu tiefen Meinungsverschiedenheiten. Einige wenige blieben der Familie Benvenist treu, doch die allermeisten, denen klar war, dass die Schuld und ihre Zinsen jahrelang die Wirtschaft der ganzen Gemeinde belasten würden, hatten sich entschieden, den Dayan seinem traurigen Schicksal zu überlassen.
    Martí war zutiefst verstört. Er musste mit ansehen, wie es Ruth jeden Tag schlechter ging. Sie huschte wie ein Gespenst durchs Haus, was ihm unerträglichen Kummer bereitete. Am schlimmsten wirkten die Bekanntmachungen, die auf Anweisung des Veguer auf den Straßen und Plätzen Barcelonas verkündet wurden und das Urteil verbreiteten. Was das Volk zu hören bekam, erregte so sehr seinen Zorn, dass man sich gezwungen sah, die Eingänge zum Call mit bewaffneten Männern zu sichern, um Unruhen und Überfälle zu verhindern.
    Der scheinbare Widerspruch, dass man einerseits den Juden die Schuld aufbürdete und sie andererseits entlastete, ergab sich aus dem Befehl des Grafen, der zwar das Geld zurückerhalten und eine exemplarische Strafe verhängen wollte, doch die Gemeinde von einer Gesamtschuld freisprach – wenn er nämlich zugelassen hätte, dass man über sie herfiel, hätte er kaum seine Schulden eintreiben können. Für die Regierung Barcelonas erschien es darum erforderlich, dass die wohlhabenden Kaufleute und geachteten Gemeindemitglieder Eleazar Bensahadon und Asher Ben Barcala unangreifbar blieben.
    Das Edikt, das die Ausrufer verkündeten, hatte folgenden Wortlaut:
    Barcelona, am 4. Oktober im Jahr des Herrn 1058
    Wir, Ramón Berenguer I., von Gottes Gnaden Graf von Barcelona, Gerona und Osona, tun hiermit kund:
     
    Dass ein summarisches Verfahren eingeleitet wurde gegen Baruch Benvenist, den Dayan des Call von Barcelona, wegen Unterschlagung gräflicher Geldeinlagen im Wert von dreißigtausend Maravedis, wegen Betrugsversuchs sowie unrechtmäßiger Aneignung und Vernichtung von Geld.
    Nach der gerichtlichen Entscheidung der Curia Comitis unter dem Vorsitz des ehrenwerten Herrn Ponç Bonfill und gemäß den im Liber Judiciorum enthaltenen Vorschriften müssen Wir den oben genannten Baruch Benvenist verurteilen und verurteilen ihn zum Galgen und zur Einziehung seines gesamten Vermögens. Spätestens dreißig Tage nach der Hinrichtung soll außerdem seine ganze Familie aus der Stadt verbannt werden.
    Da der Angeklagte ein führendes Amt in der hebräischen Gemeinde ausübt, verurteilen Wir diese

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