Das Vermächtnis des Martí Barbany
helfen sie zu leben. Trotzdem ist mein Rat, dass der Mächtige, der keine festen Abgaben an skrupellose Kuppler bezahlen möchte, im Zölibat wie ein Mönch – und wohlverstanden wie ein keuscher Mönch – leben muss, denn sonst sieht er sich Zwängen unterworfen, die nur ein makelloser Lebensweg wie der meine erspart.«
»Das ist in der Tat die beste Möglichkeit, in der stürmischen Welt, in der wir leben, Angst und Schrecken zu vermeiden. Doch sagt mir, welche Sorgen Euch quälen und zu welchem Zweck Ihr mich eigentlich gerufen habt.«
»Mein guter Luciano, Ihr wisst nur zu gut, welche Schwierigkeiten das Amt, das ich ausübe, mit sich bringt. Einerseits beargwöhnt man mich wegen meiner unverbrüchlichen Treue zum Grafen. Darum greift mich der Adel an. Ich bin ja keiner von ihnen, und meine Aufgabe, Steuern für das Wohlergehen Barcelonas einzutreiben, erweckt feindselige Gefühle, wenn ich den einen oder anderen Beutel schröpfen muss, und meine Standesgenossen, die Bürger Barcelonas, die in der Gunst des Grafen weniger hoch stehen, sehnen sich nach meinem Posten. Deshalb bin ich ständig zwischen mehreren Feuern gefangen.«
»Ich verstehe Euch. Aber Eure Darstellung sagt mir nichts Neues: Was Ihr mir erklärt, war schon immer so. Neid gehört zu den Schwächen des menschlichen Wesens.«
»Ihr habt recht, und deshalb habe ich Eure Dienste erbeten. Das Vertrauen, das Eure diskrete und sachkundige Tätigkeit in mir erweckt, hat mich veranlasst, Eure Hilfe zu erbitten.«
»Ihr habt meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit.«
»Es ist so: Obwohl ich an die Palastintrigen gewöhnt bin, hat sich mir diesmal ein ernst zu nehmender Feind entgegengestellt, und meine Klugheit verpflichtet mich, ihn nicht zu unterschätzen. Ich will nach Fehlern suchen, die er in seinem Leben möglicherweise gemacht hat, damit ich nicht unvorbereitet bin, wenn er irgendein Manöver gegen mich versucht, weil er mich zugrunde richten möchte.«
Der Albino nahm die Mappe, öffnete sie und holte ein Pergamentblatt, ein kleines Tintenfass und eine Feder heraus. Dann erkundigte er sich: »Und wie wichtig ist Euer Feind?«
»Vorläufig möchte ich Euch sagen, dass sich Gräfin Almodis höchstpersönlich über die Vorschriften hinweggesetzt und ihm das Bürgerrecht Barcelonas verliehen hat. Sein Haus ist eines der prächtigsten der Stadt.
Er war und ist der Mann, der das schwarze Öl einführt, mit dem unsere Straßen erleuchtet werden. Und er besitzt mehr als zwanzig Schiffe.«
Der andere öffnete das Tintenfass und tauchte die Federspitze hinein. Dann begann er zu schreiben.
»Ihr meint sicher Martí Barbany.«
»Offensichtlich.«
»Seine Tätigkeit ist weithin bekannt. Ich freue mich über Eure Klugheit. Mächtige Feinde muss man beseitigen, bevor sie noch mächtiger werden. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Und was möchtet Ihr herausbekommen?«
»Alle seine schwachen Seiten: seine Familie, seine Freunde, die Leute, mit denen er zu tun hat, ob er seine Schulden bezahlt, ob er gegen die Ein- und Ausfuhrbestimmungen für Waren verstoßen hat, ob er vielleicht Geschäfte mit Juden und anderen schlechten Menschen hat. Kurz und gut, alles, was seiner Verteidigung schaden kann.«
»Obwohl es mich nichts angeht, möchte ich gern die Gründe erfahren, die meine Kunden veranlassen, meine Dienste zu beanspruchen.«
»Das ist ganz einfach: Nichts finde ich widerwärtiger als Undankbarkeit, und niemand fordert mehr meinen Zorn heraus als diejenigen, die die Hand beißen, die sie gefüttert hat. Als dieser Kerl ein Hergelaufener war, ist er zu mir gekommen und hat mich um Gefälligkeiten gebeten, die ich unter Mühen für ihn erreicht habe. Man muss zugeben, dass er den Erfolg seiner Unternehmungen nicht verkraftet hat und so dreist war, mich um die Hand meiner Patentochter zu bitten, die das Licht meines Lebens und der Traum meines Alters war. Ich erkannte zwar seine Verdienste an, doch ich wies ihn darauf hin, dass ich seiner Bitte erst entsprechen könne, wenn er Bürger Barcelonas sein werde. Mit üblen Mitteln und der Hilfe einer treulosen Sklavin, die ich später bestrafen musste, hat er das empfindsame Herz meiner Laia verführt, denn so hieß das Mädchen. Als ich von den Umständen gezwungen wurde, der Ehe zuzustimmen, hat er mein Vertrauen enttäuscht und die Heirat abgelehnt, was meine Stieftochter in eine derartige Verzweiflung stürzte, dass sie ihrem Leben ein Ende gemacht hat.«
»Was Ihr erklärt, ist sehr
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