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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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frühen Morgen richtete man die Plätze her, die er an Kaufleute vermietet hatte. Dort sollte es Verkaufsstände für Honigsirup und an winzigen Galgen hängende Püppchen geben, außerdem sollten Spielleute aus fernen Ländern, Gaukler und sogar ein kleines ambulantes Theater auftreten. Man wollte die Gefangennahme eines als Juden kostümierten Mannes darstellen, den die Wache dabei ertappte, wie er das Geld des Grafen stahl, während ein Ausrufer die Tat verkündete und ein paar ärmlich gekleidete Frauen dem Publikum ein Gemisch aus verfaultem Obst und Gemüse verkauften, womit der Volkshaufen den Schauspieler bewerfen konnte, der in dieser Tragikomödie den Hebräer spielte. All das sollte zum Vergnügen und Zeitvertreib des Pöbels dienen, solange er auf die Hauptattraktion des Festes wartete. Mitten auf der Richtstätte erhob sich die unheimliche Vorrichtung. An ihr hing der Hanfstrick mit der verhängnisvollen Schlinge am Ende. Auf dem Brettergerüst stellten ein paar Zimmerleute die kleine Treppe fertig, die der Verurteilte besteigen sollte, während andere Handwerker den Rand der Plattform mit einem langen schwarzen Behang umgaben, um die Konstruktion vor neugierigen Blicken zu verbergen. An der Mauer des Hauses, die sich dem Tor gegenüber
befand, hatte man eine mit Gobelins und Teppichen geschmückte Loge unter einem Baldachin eingerichtet. Dort wollten der Graf und seine Gäste der Hinrichtung beiwohnen. Auf der anderen Seite befand sich die Tribüne des Gerichts, auf der die fünf Richter und der Bischof von Barcelona unterkommen sollten. Das Getöse nahm zu. Eine Heeresabteilung, die mit Lanzen und Schilden bewaffnet war und auf dem Obergewand über dem Panzerhemd die rote und gelbe Farbe des Hauses Barcelona trug, besetzte das ganze freie Feld, um die Gerichtsdiener zu unterstützen, die mit dem Spieß in der Hand patrouillierten und bei der sich hinter den Soldaten drängenden Menge für Ordnung sorgten. Die Handwerker hatten sich zurückgezogen, und nur ein Kapuzenträger blieb oben bei dem Galgen stehen.
    Der Lärm schwoll an wie die Flut bei Vollmond und eilte der Ankunft des Karrens voraus. Er war eigentlich ein grober Holzrahmen auf vier Rädern, und darauf stand ein Käfig, durch dessen Gitter man den Verurteilten sah. Seine Hände waren auf den Rücken gebunden, und seine Füße steckten in schwarzen Hanfschuhen. Er war wie ein kleiner, verängstigter Vogel zusammengekauert und in einen Espartograssack gehüllt, in den man drei Löcher geschnitten hatte, aus denen der schmächtige Kopf und die zwei spindeldürren Arme hervorkamen. Vier Maultiere zogen das Gefährt. Ihm ritten Wachen auf Pferden voraus, und es wurde von Männern zu Fuß umringt, die sich einen Weg durch die erregte Menge bahnten. Als die Gruppe zum Schafott gelangte, hielt sie an. Die Häscher halfen dem Geldverleiher beim Heruntersteigen, worüber das Volk schallend lachte.
    Martí hatte den Ort aufgesucht, weil er glaubte, damit eine Pflicht zu erfüllen. Er hatte sich in einen Mantel gehüllt. Ihm schien es, als sähe er in der Ferne, nahe am Gerüst, die massige Gestalt Eudald Llobets umherlaufen. Auch Baruch hatte ihn erkannt und lächelte schwach. Nun stand Eudald schon bei ihm, er war zwischen den Wachen die fünf Stufen hinaufgestiegen, die Benvenist zum Tod führen sollten.
    »Was tut Ihr hier? Ihr macht auf Euch aufmerksam, und das kann Euch teuer zu stehen kommen.«
    »Das kümmert mich einen Dreck, und die Umgangsformen sind mir gleich: Mein Gewissen würde mir zeitlebens keine Ruhe gönnen, wenn ich in einer solch bitteren Schicksalsstunde nicht bei meinem Freund wäre. Das sagt Eure Religion und auch meine.«
    »Erweist mir eine gute Tat und geht: Ihr wollt doch nicht meinen Kummer durch Euer Unglück vergrößern.«

    »Besteht nicht darauf.«
    Auf der Tribüne hatte sich schon das Grafenpaar im Kreis seines Hofstaats niedergelassen.
    »Ist das nicht Euer Beichtvater?«, erkundigte sich Ramón Berenguer bei seiner Frau.
    »Ja.«
    »Und was hat er dort zu suchen?«
    »Ich denke mir, dass er eine Seele vor der Hölle retten will.«
    Als der Offizier, der die Begleitmannschaft befehligte, Llobet entdeckte, herrschte er ihn an: »Ist das hier Euer Platz?«
    »Ich gehe dorthin, wohin mich die Gräfin schickt. Wenn Ihr daran zweifelt, dort habt Ihr sie: Geht und fragt sie.«
    Der Himmel verdüsterte sich, und feiner Regen verwischte die Konturen der Landschaft.
    Der Henker legte die Schlinge um den Hals des

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