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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Grafenpaars stehen. Darunter kam der Tisch, an dem sich die Richter niederlassen würden. An den Seiten gab es zwei Podien mit Pulten. Dort würden sich die Kontrahenten aufstellen. Daneben standen Tischchen, auf die man die Dokumente legen konnte, die jeder von ihnen benötigte. Den Podien gegenüber sollten drei fächerförmig aufgereihte Tribünen folgen: die des Adels rechts, die der Bürger links und dazwischen die des Klerus. Unablässig arbeiteten Zimmerleute, die die Podien aufstellten, Tapezierer, die die Thronsessel bespannten, und Teppichleger.
    Martí hatte es sich angewöhnt, abends Eudald zu besuchen, um die Anklagepunkte, die er vorbringen wollte, mit ihm zu besprechen und die schwachen Seiten seines Gegners zu suchen. Das Licht im Fenster des ersten Stocks, das zur Wohnung des Geistlichen gehörte, leuchtete bis weit in die Nacht. Eudald beriet Martí und erklärte ihm vor allem, wie er sich den Richtern gegenüber verhalten musste, die sich zweifellos von der mächtigen Stellung des Ratgebers beeinflussen ließen.
    »Wenn Ihr Zeugen aufruft, so denkt daran, dass ich nichts bestätigen darf, weil ich Montcusís Beichtvater bin.«
    »Muss er sich gegen meine Beschuldigungen persönlich verteidigen oder darf er zusammen mit einem Anwalt auftreten?«
    »Nur er und Ihr dürft aufs Podium steigen. Das verhindert jedoch nicht, dass jemand, den er für geeignet hält, am Tisch bei ihm sitzt.«
    In Martís Kopf überstürzten sich die Einfälle, die er in eine vernünftige Ordnung bringen wollte, denn ein Anklagepunkt musste auf den anderen folgen, und dabei hatte er zu berücksichtigen, dass ihn sein Gegner vor dem Abschluss des jeweiligen Punktes befragen und verhören würde – und dass er gewiss versuchte, ihn in die Enge zu treiben.

    Mitten in der Nacht verließ er die Pia Almoina, um heimzukehren und in seinem Arbeitszimmer weiter über die tausend Zusammenhänge nachzudenken. Dabei kam er zu dem Schluss, das Thema habe sich zu einem siebenköpfigen Ungeheuer ausgewachsen, und wenn er glaubte, einen Kopf abgehauen zu haben, streckte sich an dessen Platz ein neuer hervor. Wenn er am frühen Morgen in sein Schlafzimmer kam, sank er für ein paar Augenblicke todmüde ins Bett.
     
    Im Arbeitszimmer Montcusís besprachen dieser und sein unheimlicher Besucher die letzten Einzelheiten ihrer Pläne.
    »Ihr habt neun Tage Zeit. Dem Bürger Barbany muss etwas zustoßen, was ihn daran hindert, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte bei der Lis zu erscheinen.«
    »Und wenn er vielleicht nie wieder irgendwo erscheinen könnte?«
    »Umso besser. Allerdings muss ich Euch klar sagen, dass der Unfall nicht ungewöhnlich wirken darf: Es muss ein alltäglicher Schicksalsschlag sein, der jedem Bürger zustoßen könnte.«
    »Nachts sind alle Katzen grau, und wer weiß, was einen Nachtschwärmer erwartet.«
    »Was deutet Ihr an?«
    »Habt Ihr mich nicht beauftragt, dass ich ihn verfolgen soll? Nun, das habe ich getan, weil ich annahm, dass meine Aufgabe noch nicht zu Ende sei.«
    »Ihr zeigt bewundernswerten Eifer.«
    »Ich übe meinen Beruf seit vielen Jahren aus, und die Erfahrung sagt mir, dass ein Auftrag erst endet, wenn das Problem gelöst ist.«
    »Also?«
    »Also, an jedem Abend geht er zur Pia Almoina, und dort bleibt er bis Mitternacht.«
    Montcusí konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    »Handelt so, wie Ihr wollt. Mit der Belohnung könnt Ihr Euch aufs Land zurückziehen, was ja Euer größter Wunsch ist, wie Ihr mir gesagt habt.«
    »Das Landleben gefällt mir tatsächlich. Ich hasse die ruhelose Betriebsamkeit in diesem Barcelona, das unerträglich wird. Ich bin ein einfacher Mann mit strengen Sitten. Ich sehne mich danach, dass ich den Wind in den Blättern rauschen und einen kristallklaren Bach über Kieselsteine hinwegplätschern höre. Ich hoffe darauf, meine Tage friedlich wie ein
Bauer zu beenden, die Jahrmärkte zu besuchen und meine Bodenfrüchte zu verkaufen.«
    »Nun, dann erweist mir diesen letzten Dienst, und ich mache Euren Traum wahr.«
    »Überlasst es nur mir, und schlaft ruhig. Es wäre das erste Mal, dass ich auf Jagd ginge und nicht das Wild erlegte.«
    »Wenn Ihr das Wild in den Sack gesteckt habt, lasst ein paar Tage verstreichen, bevor Ihr zu mir kommt und den Lohn für Eure Arbeit abholt. Ich will nicht, dass jemand Eure Anwesenheit mit den traurigen Ereignissen, die Ihr mitteilt, in Verbindung bringt.«
    Nach diesen Worten holte Bernat Montcusí vergnügt Luft, während der

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