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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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verklagt werden.«
    »Dann sind Übeltäter geschützt, wenn sie Macht haben?«
    »Das ist nicht ganz richtig. Doch wenn das einfache Volk mit den Ratgebern prozessieren dürfte, würde es dies aus Neid oder Rache tun, und ebenso wie ein Plebejer keine Klage gegen einen Adligen erheben kann, darf nur ein Ratgeber einen anderen Ratgeber anklagen. Es ist nicht erlaubt, dieses Gesetz zu missachten.«
    »Bernat Montcusí ist Bürger Barcelonas, und Ihr habt mir dieselbe Ehre gewährt.«
    »Was wollt Ihr damit andeuten?«
    »Dass den Gesetzen gemäß, die Ihr mir genannt habt, ein Bürger Klage gegen einen anderen Bürger erheben darf.«
    »Nicht, wenn dieser einen höheren Rang hat.«
    »Dann, Herrin, gestattet mir, Euch zu sagen«, bekannte Martí in strengem Ton, »dass ein Gesetz, das sich nicht um das Recht der Schwachen kümmert, kein Gesetz ist.«
    »Ihr seid wahrhaftig hartnäckig, Martí Barbany.«
    »Die Vernunft und die Heilige Schrift stehen mir bei.«
    »Vielleicht gibt es eine Lösung, aber sie ist sehr gefährlich …«
    »Auf Gefahren kommt es mir nicht an.«
    Almodis gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er sich beruhigen sollte.
    »Gebt acht: Ein Bürger kann eine Lis honoris mit einem anderen Bürger beginnen, selbst wenn dieser einen höheren Rang besitzt.«
    »Woraus besteht so etwas?«
    »Das ist ein öffentliches Rededuell, bei dem der Beleidigte den Beleidiger anklagt. Aber dabei geht es, wie der Name sagt, nur um die Ehre der beiden«, erläuterte Eudald.
    »Warum der beiden?«
    »Weil sich der Angeklagte nicht nur verteidigen kann, sondern auch das Recht hat, selbst anzuklagen.«
    »Dann befinden sich der Beleidigte und der Beleidiger in der gleichen Lage?«
    »Nein, Martí. Der Beleidiger darf nur anklagen, um sich selbst zu verteidigen, und er muss sich auf die Fragen beziehen, die der Beleidigte vorgetragen hat.«
    »Bedenkt gründlich, ob Ihr Euch dabei einen Erfolg ausrechnet«,
griff Almodis ein. »Vorausgesetzt, dass ich meinen Gemahl überzeugen kann, was ich für recht unwahrscheinlich halte, könnt Ihr den Kürzeren ziehen. Bernat Montcusí hat den Ruf, ein kampferprobter und hervorragend informierter Widersacher zu sein.«
    Martí überlegte sorgfältig.
    »Und wie lautet das Urteil, falls ich meine Beschuldigungen beweisen kann?«
    Eudald erläuterte: »Der Graf muss lediglich in Erwägung ziehen, und dabei lässt er sich von den Richtern beraten, ob eine Lüge und Ehrverletzung vorliegt. Sollte es so sein, besteht die einzige Strafe in zeitweiliger Verbannung und Schadensersatz, wenn dies den Grafen betrifft.«
    »Was ich Euch anbiete, hat dennoch sehr ernste Folgen«, setzte Almodis hinzu. »Wenn sich ein Ratgeber einer Ehrverletzung schuldig macht, wird das als eine nicht wiedergutzumachende Schande angesehen, die ihn in Zukunft von allen Stellen und Ämtern ausschließt.«
    Eudald klärte ihn über weitere Einzelheiten auf: »Man hält eine öffentliche Gerichtssitzung ab. Alle Leute, die den gleichen Rang wie die Prozessparteien haben, dürfen teilnehmen. Die Adligen sitzen auf einer Tribüne, die Geistlichen auf einer zweiten und die Bürger Barcelonas auf einer dritten. Der Graf und die drei Richter führen den Vorsitz bei den Sitzungen. Diese dauern mehrere Tage, bis das Gericht die Sache für beendet erklärt.«
    »Wollt Ihr immer noch, dass ich meinen Gemahl um Erlaubnis bitte?«
    »Ich will es, und ich werde diese Gnade nie vergessen.«
    »Denkt daran, mein Freund, dass man sich manchmal gehörig die Finger verbrennen kann. Bei einer Lis honoris kann der Ratgeber als schrecklicher Gegner auftreten, und das ist ein solch großes Wagnis, dass ich so etwas in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal erlebt habe. Ich versichere Euch, dass es die ganze Stadt zum Stillstand bringt.«
    »Herrin, bis zu diesem Tag werde ich keine Ruhe geben.«
    »So soll es denn sein, wenn Ihr es wollt. Aber ich muss Euch sagen, falls es Euch nicht nach Wunsch gelingt, kann ich Euch nicht wieder zu einer Audienz empfangen.«
    »Wenn ich nicht erreiche, dass ihn die Schande des Ehrverlustes trifft, gehe ich fort aus dieser Stadt, und ich werde nichts darauf geben, wo man meine Knochen begräbt.«

110
    Vor der Gerichtsverhandlung
     
    D as Gebrüll des Wirtschaftsberaters der Grafschaft war durch die Wände zu hören. Der erschrockene Conrad Brufau lauschte aufmerksam an seinem Tisch im Vorzimmer, für den Fall, dass er plötzlich gerufen wurde, weil er sonst, wenn er nicht unverzüglich

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