Das Vermächtnis des Martí Barbany
Berufsmörder Luciano Santángel in sich hineinlächelte.
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Der Überfall
D er Februar kam, und am 2. des Monats bezahlte man für einen Ärgernis erregenden Preis die Genehmigungen, mit denen man die Lis honoris am nächsten Tag besuchen durfte. Damit wurde nicht nur unter den Bürgern Barcelonas Handel getrieben, sondern manch ein heruntergekommener Adliger versuchte sogar heimlich, den Glanz seiner Wappenstücke durch Geldstücke zu ersetzen. Diejenigen, die nicht das Recht haben würden, bei der Verhandlung anwesend zu sein, trieben sich in der Nähe des Rathauses herum und erzählten die Klatschgeschichten weiter, die bei den an der Treppe des Rathauses zusammengeströmten Gruppen zirkulierten. Dazu verkündeten sie mit lauter Stimme ihre Standpunkte, als gehörten sie zu den Richtern. Der Veguer Olderich von Pellicer hatte beinahe all seine Leute in der Umgebung des Platzes aufgestellt. Sie trugen Spieße mit Eisenspitzen und Schilde, und da alle hier waren, kümmerten sie sich nicht um andere Ecken der Stadt, in denen es, so nahm man an, an diesem Tag keine Probleme oder größeren Zwischenfälle geben würde.
Als die Nacht anbrach, lief ein Vermummter zum südlichen Ende der Pia Almoina. Nachdem er sich dort gründlich in der Gasse umgesehen und sich vergewissert hatte, dass niemand sonst da war, blieb er an dem Eisenpfahl mit dem Käfig stehen, in dem der Docht brannte, der in die hoch geschätzte Flüssigkeit eingetaucht war. Er holte eine Holzstange unter seinem Mantel hervor. Diese ließ sich auseinanderziehen, und an ihrem Ende hatte sie einen Kupferdeckel. Der Mann streckte den Arm hoch und stülpte den Deckel über die Flamme, sodass sie keine Luft mehr erhielt. Augenblicklich erlosch das Licht, und die Umgebung tauchte in vollkommener Finsternis unter. Danach verbarg sich der Mann in einem Hauseingang der Gasse und wartete geduldig
auf seine Gelegenheit, die ihm einen stattlichen Gewinn einbringen würde.
»Besser, Ihr geht schlafen, Martí. Morgen, genauer gesagt, in kurzer Zeit, erwartet Euch eine äußerst schwierige Aufgabe. Ihr müsst einen klaren Kopf und viel Geistesgegenwart haben. Es wird gut sein, dass Ihr versucht, etwas auszuruhen.«
»Ich folge Eurem Rat, um Euch einen Gefallen zu tun. Aber ich werde mich im Bett herumwälzen, bis die Sonne aufgeht.«
Es gab jedoch noch eine andere Angelegenheit, die Martí den Schlaf raubte.
»Eudald, was habt Ihr von Ruth gehört?« In diesem Augenblick vermisste er sie mehr denn je.
»Seid ruhig. Ich habe Euch schon gesagt, dass es ihr gut geht. Macht Euch keine Sorgen um sie«, antwortete der Priester. »Trinkt jetzt einen Lindenblütentee und versucht zu schlafen, denn Ihr bringt nichts zustande, wenn Ihr wach bleibt, und Ihr müsst Eure fünf Sinne zusammennehmen. Ihr bekommt es mit einem hinterhältigen Feind zu tun, der sein Ansehen in die Waagschale wirft und der, bevor er seinen guten Ruf am Hof und beim Grafen verliert, sich wie eine Katze mit Krallen und Zähnen wehrt. Ganz zweifellos wird er zu jeder List greifen, so schmutzig sie auch ist.«
Martí zog seinen Mantel an. Bevor er ging, sagte er: »Mehr als hundertmal bin ich mit Euch die einzelnen Punkte durchgegangen. Ich habe mir tausend Fragen über die möglichen Argumente eines Mannes gestellt, der in seiner Verzweiflung zu jeder Spitzfindigkeit greift, und immer wieder entdecke ich eine Ausflucht, mit der er entkommen kann und an die ich nicht gedacht hatte. Ich will nicht, dass so etwas geschieht. Das bin ich meiner Mutter, Laia und Ruth schuldig …«
Der Priester, der ihn zur Tür seines Zimmers begleitete, sagte dazu: »Wenn die Lis in hundert Tagen stattfände, würdet Ihr noch hundert Nächte darüber nachdenken. Geht in Frieden und ruht aus. Morgen, kurz nach der dritten Morgenstunde, beginnt das größte Wagnis, das Ihr in Eurem ganzen Leben auf Euch genommen habt und von dem Eure Zukunft abhängt. Denkt an die Empfehlung Eures Vaters in seiner Todesstunde: ›Das einzige Gut, das ein Mann bis zu seinem letzten Atemzug verteidigen muss, ist die Ehre.‹«
»Auch ihm bin ich es schuldig. Lebt wohl, Eudald.«
»Heute ist eine besondere Nacht. Umarmt mich, mein Sohn.«
Beide Männer umarmten sich innig. Dann ging Martí zum Eingang der Pia Almoina, wo ihn ein schläfriger Laienbruder hinter einem von einer armseligen Kerze erleuchteten Tisch grüßte.
Die Nacht war angenehm warm. Der bedeckte Himmel kündigte Regen an. Martí bog um die Ecke des Passatge
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