Das Vermächtnis des Martí Barbany
Aixa an der Pest gestorben sei. Nach Laias Tod, auf den ich danach näher eingehe, habe ich durch eine vertrauliche Mitteilung erfahren, dass Aixa als Gefangene in Terrassa lebte. Ich wollte sie mit der entsprechenden Freilassungsurkunde herausholen, und als ich sie fand, stellte ich fest, dass sie in einer widerwärtigen Zelle gefangen saß und dass sie sich in einem bejammernswerten Zustand befand. Man hatte sie geblendet und ihr die Zunge abgeschnitten.«
Die Spannung der Zuhörer wuchs sichtlich, und jeder spähte argwöhnisch zu seinem Nachbarn hinüber, ob dieser die Anschuldigungen gelten ließ oder ablehnte.
Die Stimme des Oberrichters zerriss das Schweigen.
»Ehrenwerter Herr Ratgeber! Was habt Ihr gegen diese Anklage vorzubringen?«
Martí ging zu seinem Platz zurück, während Bernat Montcusí mit der ihn kennzeichnenden Selbstsicherheit aufstand und mit gemessenen und langsamen Schritten seinen massigen Leib vom Tisch zum Pult bewegte. Dort verbeugte er sich vor den Grafen, blickte dann zum Publikum und begann mit feierlicher Stimme seinen Vortrag.
»Erlauchte Grafen von Barcelona, Ratskollegen, edle Herren, verehrte Geistlichkeit und vor allem liebe Mitbürger! Wie lang ist der Weg, den man bewältigen muss, um einen guten Ruf zu erwerben, und wie leicht lässt er sich zerstören! Da hat ein Fremder geglaubt, er könne mit seinem Geld die Wahrheit missachten und einen Untertanen, der sein Leben dem Dienst an der Gemeinschaft gewidmet hat, um seine Ehre bringen. Deshalb wagt er es, Zweifel unter gewiss wohlgesinnten, allerdings leicht beeinflussbaren Leuten zu verbreiten. Nichts ist schlimmer als eine Halbwahrheit, denn solche Behauptungen erwecken den Anschein, wenn es sich nicht so verhalte, könne es jedoch durchaus so sein. Seht, wie ich in einem einzigen Augenblick seine Lügen widerlegen und die andere Seite
der Medaille zeigen kann. Herr Barbany ist zu mir gekommen und hat mich um maßlos viele Gefälligkeiten gebeten, weil er Geschäfte in Barcelona machen wollte. Da ich erkannte, dass sie dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Einwohner nutzten und nicht gegen die geltenden Gesetze verstießen, habe ich sie vorbehaltlos genehmigt. Ich brauche nicht besonders darauf hinzuweisen, um welche Geschäfte es sich handelte, denn Eure Ehren kennen sie genau. Ebenfalls trifft zu, dass ich ihm in aller Unschuld meine uneingeschränkte Freundschaft anbot, weil ich glaubte, er wüsste angemessen zu würdigen, was so etwas bedeutet. Ich habe ihm sogar mehrmals Zutritt zu meinem Haus und meine herzliche Gastfreundschaft gewährt. Es ist richtig, dass er meine geliebte Tochter auf dem Sklavenmarkt kennenlernte, und es ist auch richtig, dass er es wagte, darum zu bitten, ihr den Hof machen zu dürfen. Ich hätte seine Bitte von vornherein ablehnen können, aber Gott ist mein Zeuge, dass ich immer den Wagemut der Jugend und ihre Tatkraft bewundert habe, und darum habe ich die Bedingung gestellt, dass er das Bürgerrecht Barcelonas erhalten müsse. Er ist damals zu einer langen Reise aufgebrochen, und ich gebe zu, dass ich nicht durchschaute, wie weit seine Bitte ging und wie arglistig sie war. Er ersuchte mich um die Erlaubnis, eine Sklavin verschenken zu dürfen. Sie war eine sehr begabte Sängerin und sollte die Abende meiner Laia erfreuen. Ich denke mir, dass Eure Gnaden seine heimtückische Absicht vollkommen erkannt haben. Damit brachte Herr Barbany das Skorpionei in meinem Haus unter, um meine geliebte Tochter für sich zu gewinnen. Es verging einige Zeit. Ich widmete mich ganz meinen Arbeiten zum Wohl der Stadt, und mir ist klar, dass ich vielleicht meine Aufgaben als Vater vernachlässigt habe. Ich vermochte nicht zu durchschauen, dass die Schlange, die er bei meiner Laia untergebracht hatte, in ihrem Kopf den Samen einer schlechten Liebe aussäte. Diese Aixa, eine erfahrene Kupplerin, ermöglichte und verheimlichte die Begegnungen meiner Tochter mit Martí Barbany, bevor er abreiste, im Haus ihrer ehemaligen Kinderfrau, die dazu beitrug, diese Treffen zu arrangieren. Allerdings habe ich erst viel später von der Geschichte gehört. Er vergingen mehrere Monate, und dann brach der Betreffende zu seiner Weltreise auf. Später erfuhr ich durch einen Zufall von der ganzen Angelegenheit.
Ich tadelte meine Tochter und verlangte von ihr, auf diesen Wahnsinn zu verzichten, und deshalb verpflichtete ich sie, einen Brief zu schreiben, in dem sie ihren Irrtum zugab und das Verhältnis für beendet erklärte.
Wie
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