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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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würde unser Herr, der Graf, das Urteil fällen. Wir Richter sind hier, um zu beraten und anzuführen, was rechtlich zulässig ist, aber nicht, um ein Urteil abzugeben, und die Zeugen, die zu einer Aussage aufgerufen werden, dürfen nur Tatsachen und keine Absichten bestätigen.«
    Nach diesen Worten forderte er die Kontrahenten auf, den Eid vor dem Bischof zu leisten.
    Bischof Odó von Montcada trat zusammen mit dem Obernotar Guillem von Valderribes vor. Langsam und feierlich begaben sie sich zum Richtertisch, auf dem sich rechts ein Kruzifix ohne Christusbild und links eine Bibel befanden.
    Der Sekretär ließ die beiden Gegner herantreten.
    Guillem von Valderribes wandte sich an das Publikum, denn viele Anwesende wussten nicht, wie die Zeremonie ablaufen würde.
    »Das ist eine Lis honoris . Darum werde ich jetzt diese ehrenwerten Bürger vereidigen, deren einziges Vergehen darin bestehen würde, sich nicht an die Wahrheit zu halten. Über etwas anderes urteilen wir hier nicht, denn ein Bürger Barcelonas, der nicht dem Adel angehört, darf keine Klage gegen jemanden erheben, der ein gräfliches Amt ausübt. Ich
als Obernotar werde den Akt beglaubigen, und falls sich jemand eines Meineids schuldig macht, wird unser Herr Graf persönlich den Schuldspruch fällen.«
    Nach diesen Worten rief er Bernat Montcusí als Ersten heran. Aufgeblasen und gravitätisch trat er zum Tisch.
    »Legt Eure Rechte auf die Bibel, Herr, und wiederholt, was ich sage: ›Ich, Bernat Montcusí i Palau, der Wirtschaftsberater der Grafschaft Barcelona und Generalintendant, schwöre feierlich bei meiner Ehre, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit bei allen Fragen zu sagen, zu denen mein Zeugnis verlangt wird. Wenn ich mich daran halte, möge mich unser Herrgott belohnen, und sonst soll Er oder Ramón Berenguer, mein irdischer Herr, der Graf von Barcelona, Rechenschaft von mir verlangen. ‹«
    Nachdem der Ratgeber die Eidesformel wiederholt und im Protokollbuch, das ihm der Obernotar vorlegte, unterschrieben hatte, kehrte er an seinen Platz zurück. Hierauf legte Martí Barbany den gleichen Eid ab. Die Verhandlung sollte beginnen.

114
    Die Verhandlung
     
    S obald die Gegner auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, eröffnete Richter Frederic Fortuny den Prozess. »Der Kläger hat das Wort, und er soll dem Gericht alles mitteilen, was er beweisen will.«
    Martí stand auf, was ihn sichtliche Mühe kostete, sodass der Oberrichter erneut eingriff.
    »Wenn Ihr Eure Erklärung lieber im Sitzen abgeben wollt, ist es Euch Eures Zustandes wegen erlaubt.«
    »Euer Ehren, ich spreche lieber im Stehen.«
    »Dann beginnt.«
    »Ich, Martí Barbany von Montgrí, ein freier Bürger Barcelonas, klage den Wirtschaftsberater Bernat Montcusí der folgenden Punkte an: erstens, dass er eine Freigelassene meines Hauses, auf die er keinerlei Rechtsanspruch hatte, geblendet und ihr die Zunge abgeschnitten hat. Zweitens, dass er ein mir gehörendes Gut verbrannt hat, was zum Tod meiner Mutter Emma von Montgrí und des Hausdieners Mateu Cafarell führte. Drittens geht es um den Tod seiner Stieftochter Laia Betancourt, die sich zwar bekanntlich selbst das Leben genommen hat, diese schreckliche Tat aber durch die Schuld ihres Stiefvaters beging.«
    Es herrschte völlige Stille. Als ein Pergament raschelnd zu Boden fiel, hallte das im ganzen Saal nach.
    Der Gerichtsvorsitzende Ponç Bonfill griff ein.
    »Geht der Reihe nach vor. Beginnt mit dem ersten Punkt.«
    »Sehr wohl. Als ich gerade in Barcelona eingetroffen war, lernte ich Laia Betancourt auf dem Sklavenmarkt kennen. Man versteigerte eine Sklavin, die Aixa heißt. Laia und ich selbst waren die letzten Bieter. Ich hielt die Stieftochter des Ratgebers für ein so schönes Mädchen, dass ich mich bemühte, sie näher kennenzulernen, und ich habe mich rettungslos
in sie verliebt. Da ich zu einer langen Reise aufbrechen musste und meine Sklavin Aixa eine ausgezeichnete Sängerin und Musikerin war, habe ich sie freigelassen und gebeten, meine geliebte Laia während meiner Abwesenheit mit ihrer Kunst zu erfreuen. Hierfür habe ich Laias Stiefvater um Erlaubnis ersucht, den ich auch um seine Zustimmung bat, dass ich Laia den Hof machen durfte. Was das Zweite betraf, so hat er mir geantwortet, es sei ein vergebliches Unternehmen, wenn es mir nicht gelinge, Bürger Barcelonas zu werden, und so etwas sei sehr schwierig. Allerdings hat er mein Geschenk trotzdem zugelassen. Als ich zurückkam, wurde mir mitgeteilt, dass

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