Das Vermächtnis des Martí Barbany
losbrechen, denn Martís Anklage betraf indirekt auch den Grafen von Barcelona.
Richter Fortuny wählte einen sachlichen Ton, in dem jedoch eine unausgesprochene Drohung mitschwang.
»Seid Ihr Euch bewusst, dass Ihr mit dieser Behauptung die Gerechtigkeit unseres Herrn anzweifelt?«
»Ich bin mir bewusst, dass allein Gott im Himmel unfehlbar ist.«
»Eure Antwort tut nichts zur Sache. Wenn Ihr Eure Worte nicht klarer
begründet, gewinnt Ihr vielleicht diese Lis , aber Ihr handelt Euch einen viel schlimmeren Prozess ein.«
Barbany machte sich zu seinem letzten Kampf bereit. Der Ratgeber, der erkannte, dass sich sein Gegner eine Blöße gegeben hatte, war entschlossen, seine Chance zu nutzen.
Martí blickte zu den Thronen hinüber und sprach so, als richtete er seine Worte allein an die Grafen.
»Erlauchte Grafen, ehrenwerte Richter! Ich wurde nicht in einem vornehmen Haus geboren, und mich haben keine adligen Privatlehrer oder klugen Professoren der Domschule erzogen. Ich kam in einer bescheidenen Familie zur Welt, und für meine Bildung hat ein einfacher Dorfpfarrer gesorgt, der mir jedoch die Grundsätze der Gerechtigkeit und Billigkeit einprägen konnte. Ich weiß, dass Ihr für diese Vorzüge berühmt seid und dass Ihr keinen Unterschied zwischen Adligen, Bürgern Barcelonas und gewöhnlichen Leuten macht. Darum liebt Euch Euer Volk und meint voller Stolz, dass es den vortrefflichsten Fürsten der Christenheit zum Herrscher hat. Aber die Gerechtigkeit beruht auf Beweisen und Zeugnissen, und wenn diese aus Gründen, die nichts mit Eurer Person zu tun haben, unzuverlässig, ja noch schlimmer, gefälscht sind, kann es geschehen, dass ein Unschuldiger bestraft wird und ein Schuldiger der Strafe entgeht.«
Martí hatte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich gelenkt, und alle hielten gespannt den Atem an. Nach einer absichtlichen Pause, damit seine Worte die Zuhörer noch tiefer beeindruckten, sprach er weiter: »Vor ein paar Monaten habt Ihr Baruch Benvenist, den Vorsteher der Geldverleiher, zum Galgen verurteilt, und das habt Ihr nicht getan, weil er sich geirrt hatte, als er viele Maravedis aus unedlem Metall als echt annahm, sondern weil er angeblich versucht hat, das Schatzamt des Grafen zu betrügen, als er, nachdem er diese Maravedis eingeschmolzen hatte, das Gold für sich behielt, wofür er behauptete, man habe ihm Falschgeld übergeben. Auf diese Weise soll er versucht haben, den Wirtschaftsberater der Grafschaft zu täuschen, und das ist kein anderer als der Beklagte Bernat Montcusí. Nun gut, Exzellenzen: Bei mir habe ich den unwiderlegbaren Beweis des Unrechts, das man ihm angetan hat, und damit wird zweifellos die Ehre eines solch guten Dieners und gleichermaßen die der hebräischen Gemeinde der Stadt wiederhergestellt.«
Mit feierlicher Geste zog Martí aus seiner prallen Gürteltasche zwei kleine Beutel, einen aus grobem Korduanleder und einen anderen aus
feinem Wildleder mit dem aufgestickten gräflichen Wappen. Martí legte die Beutel auf dem Tisch. Die Leute verfolgten seine Bewegungen mit der Aufmerksamkeit, die Kinder den Kunststücken eines Zauberers auf dem Hauptplatz eines Ortes schenken. Diesmal wandte sich Martí an das gesamte Publikum, das die drei Tribünen besetzte.
»Seht, meine Herrschaften, was ich hier habe. Meine Herrin Almodis hat es für gut befunden, mich zum Bürger Barcelonas zu ernennen, als Dank dafür, dass ich die Stadt vor der Ankunft des sevillanischen Botschafters beleuchtet habe. Außerdem hat sie mich mit einer Tasche voller Goldmünzen belohnt, die ich unter den Dienern meines Hauses verteilen sollte, um des glücklichen Ereignisses zu gedenken. Aber ich wollte eine solch schöne Erinnerung nicht verschleudern und habe meinen Leuten stattdessen allgemein übliche Mancusos gegeben. Tief unten in der Truhe mit meinen Andenken habe ich den kleinen Beutel mit dem gräflichen Wappen aufbewahrt, und nun lege ich ihn Euch vor: Er enthält immer noch die Maravedis, mit denen ich belohnt wurde. Vor zwei Nächten hat ihn jemand bei meinen Wertgegenständen gefunden und beschlossen, einen Teil davon zu nehmen und zu meiner Schmiede am Meeresufer zu bringen, um diese Münzen einzuschmelzen und so die Qualität der Legierung festzustellen. Meine Herren, das Gemisch war eine Fälschung! Und Benvenist oder die anderen Geldwechsler des Call hatten nie etwas mit diesen Münzen zu tun. Hier ist der Beweis.«
Nun schüttete er so langsam, wie er konnte, den Inhalt des
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