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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Reine zu kommen. Seid unbesorgt, ich kann es so einrichten, dass Ihr ihn kennenlernt, obwohl ich zugeben muss, dass er ein übellauniger und viel beschäftigter Mann ist.«
    Martí hielt einen Augenblick den Atem an, weil er spürte, dass der Wind des Schicksals erneut günstig für ihn blies.

19
    Der Bischof und Ermesenda
    Gerona, Juni 1052
     
    B ischof Guillem von Balsareny hatte sich noch nicht einmal vom Staub des Weges gesäubert, als er schon auf eine Audienz im Vorzimmer der mächtigen Gräfin, der Titular-Regentin von Barcelona und Osona, wartete. Diese konnte zwar in allen Grafschaften residieren, die ihrem Gemahl Ramón Borrell gehört hatten, doch sie zog es vor, in ihrer eigenen Grafschaft Gerona zu leben, wenn sie keine besondere Aufgabe in einem Ort ihrer Herrschaftsbereiche wahrzunehmen hatte.
    Gräfin Ermesenda verfuhr gewöhnlich so, dass sie ihre Besucher im Vorzimmer eine gewisse Zeit warten ließ, die vom Rang des jeweiligen Gastes abhing. So wollte sie den Neuankömmling erkennen lassen, dass ihn die mächtigste Herrin der katalanischen Grafschaften empfangen würde, und wenn es sich um einen Botschafter handelte, den sie nicht persönlich kannte, ließ sie ihn in der Begleitung eines Kammerherrn langsam auf dem roten Teppich entlangschreiten, damit sie genug Zeit hatte, ihn auf dem Weg von der Eingangstür zu ihrem Thron zu betrachten.
    Der Saal, den sie den »der Botschafter« genannt hatte und in dem sie die Notabeln für gewöhnlich empfing, war ein prunkvoller Raum. Ihn beherrschte ein kleiner, bequem gepolsterter Thronsitz. Rechts davon stand ein Faltstuhl, auf den sich der Besucher setzte, falls er dazu aufgefordert wurde. Wandteppiche und Waffensammlungen waren die auffälligsten Teile der Einrichtung. Im Hintergrund befanden sich drei Fächerfenster und an beiden Seiten je ein Kamin. In ihnen brannte zu dieser Zeit kein Feuer.
    Die Gräfin war sich ihrer hohen Herkunft stets bewusst, was sich
durch ihr Alter und ihre stolze Wesensart noch verstärkte. Ihr Geschlecht reichte bis zu den Westgoten zurück, denn Septimaniens Herrscher hatten einen anderen Ursprung als die Emporkömmlinge der fränkischen Grafenhäuser. Sie kam aus jenem Land, und zeitlebens fühlte sie sich im tiefsten Innern viel enger mit den katalanischen Grafschaften jenseits der Pyrenäen als mit den großen und barbarischen Grafschaften noch weiter im Norden verbunden. Ihre Muttersprache war das Okzitanische. Ihre Eltern, Roger der Alte und Adelaida von Gavaldà, hatten ihr wie ihren Brüdern Benito und Pedro eingeschärft, auf ihre Zugehörigkeit zum Hause Carcassonne stolz zu sein.
    Nach einer nicht übermäßig langen Wartezeit, die dem Geistlichen allerdings ewig vorkam, klopfte der Türhüter mit der Metallspitze seiner Pike auf den Dielenboden, um der edlen Herrin die Anwesenheit des Bischofs anzukündigen. Die beiden Flügel der Eingangstür gingen auf, und der Prälat schritt auf den Thron zu, wo ihn die Dame erwartete, die mit dem ihr vorauseilenden Ruf erreichte, dass ihre bloße Gegenwart Boten einschüchterte und Gesandte in Schrecken versetzte. Die Gräfin trug einen violetten Bliaud mit Goldborten und engen Ärmeln, und sie schmückte ihr aufgestecktes Haar mit zwei Goldspangen. Der Bischof war barhäuptig, wie es das Protokoll verlangte. Nach einer Verbeugung trat er heran und wartete darauf, dass ihn Ermesenda ansprach.
    »Nun denn, mein guter Bischof, welches höchst bedeutsame Unternehmen bringt Euch in dieses Land und nötigt Euch, Eure geliebte und ruhige Diözese Vic zu verlassen, um vor mir zu erscheinen?«
    »Herrin, die Pflicht, mich Eurer Angelegenheiten anzunehmen, brachte mich dazu, den beschwerlichen Weg zu bewältigen und zu Euch zu kommen. Dieselbe Sorge hat mich zuvor nach Barcelona geführt, und wahrhaftig, diese Stadt wird mir jeden Tag widerwärtiger: Sie hat schon mehr als fünfhundert Feuerstellen, und immer mehr Leute lassen sich von ihrem Ruf anlocken, weil sie glauben, dort eine Gelegenheit zu haben, dem Markt und der Macht möglichst nahe zu sein, um Geschäfte zu machen, zu handeln und Felder zu bestellen. Wirklich, ich verstehe nicht, wie solche Leute, die auf dem Lande ein ruhiges und friedliches Leben führen könnten, hartnäckig die Unbequemlichkeit der großen Stadt auf sich nehmen. Allein schon ihr Geruch beleidigt meine Nase, und ihr Geschrei stört die Seelenruhe des maßvollsten Menschen.«
    Die Herrin betrachtete ihn aufmerksam, und da sie feststellte, wie

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