Das Vermächtnis des Martí Barbany
zurücktreten, doch es ist so, dass die Gräfin von Toulouse und mich dasselbe Gefühl überwältigt hat. Ich schwöre Euch, dass ich diesmal nicht auf die Liebe verzichte, um keinen Preis.«
Der Bischof widersprach sanft: »Seid Ihr Euch bewusst, dass Ihr Euer Reich aufs Spiel setzt?«
»Ich würde alle Grafschaften der Welt aufs Spiel setzen, wenn es sein müsste.«
»Ich meine nicht die Reiche dieser Welt, sondern das Himmelreich.«
»Ich will Euch etwas sagen, mein lieber Guillem. Der Herr hat zu Lazarus gesagt: ›Stehe auf und wandle!‹ Nicht wahr? Nun, er hätte ihm sagen sollen: ›Stehe auf und rede!‹ So hätten wir erfahren können, woher er kommt und worin das Himmelreich besteht. Die Mohammedaner haben davon wenigstens eine klare Vorstellung, uns Christen aber hat man nichts von Huris oder von grünen Wiesen erzählt, und ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, dass ich auf einer Wolke sitze und Psalmen anstimme. Vorläufig habe ich die Seligkeit bei Gräfin Almodis gefunden, und ich habe erfahren, was die höchste Lust auf dieser Erde ist. Sagt jenem, den es angeht, dass ich darauf nicht verzichten will, wer dem auch immer entgegensteht und so viele Nachteile und Hindernisse ich dafür auch überwinden muss«, erklärte Ramón nachdrücklich, während er wohl wusste, dass gerade jetzt, da er mit dem Bischof sprach, sein treuer Ritter Gilbert d’Estruc der Gräfin von Toulouse die Einzelheiten des Fluchtplans erläuterte.
18
Das Glück der Kühnen
Barcelona, Sommer 1052
M artí war in dieser Zeit unermüdlich tätig. Er hätte sich niemals vorstellen können, dass ihm der Reichtum so viele Probleme bereiten würde. Selbstverständlich war dieser Reichtum verhältnismäßig klein. Er war sich bewusst, dass es von seinen Mühen und seiner Hartnäckigkeit abhängen würde, ob sein Geld sich vermehrte oder schrumpfte, aber wenn er seine jetzige Lage mit seinem früheren Leben verglich, kam es ihm so vor, als besäße er ein königliches Vermögen. Er lebte weiter in der Klosterwohnung, die er durch die freundliche Vermittlung des Domherrn Llobet bekommen hatte, doch allmählich dachte er daran, ein Haus zu kaufen.
Nachdem er das Gesicht des Mädchens auf dem Sklavenmarkt mehr erraten als wahrgenommen hatte, fiel es ihm jedenfalls weitaus schwerer, sich auf seine Angelegenheiten zu konzentrieren, denn ständig schweiften seine Gedanken zu der Erinnerung an jene vage und kaum erahnte Gestalt ab. Einstweilen kannte er schon ihren Vornamen, Laia, und wusste, wer ihr Vater war: Bernat Montcusí, einer der Prohomes der Stadt, dessen gewaltiges Vermögen sie noch unerreichbarer machte. Das verhinderte allerdings nicht, dass er darüber nachgrübelte, wie er mit ihr ein paar Worte wechseln könnte, und in seinem Innern bildete sich eine Idee heraus, die allmählich feste Gestalt annahm und die, wenn sie sich als möglich erwies und wenn er den Mut aufbrachte, sie auszuführen, ihn gewiss dem Wesen nahe bringen würde, dem seine ruhelose Sehnsucht galt. All das spornte ihn an, sich möglichst bald ein Haus zu beschaffen, wie es eines Mannes würdig war, der große Pläne hegte und danach strebte, zu einem Bürger Barcelonas zu werden.
Die Stadt erlebte einen Aufschwung, und die Betriebsamkeit ihrer Bewohner
führte dazu, dass sie aus allen Nähten platzte, und deshalb ließ sich der eintreffende Menschenstrom in dem mit Mauern umgebenen Bereich nicht angemessen unterbringen.
Ein Weinhändler, der verwitwet war und keine Kinder hatte, wollte sein außerhalb der Stadtmauern, am Weg nach Sant Pau del Camp gelegenes Haus verkaufen. Die Schwierigkeit bestand darin, dass der Mann auch seine Kelter und außerdem ein paar Weinberge mit gutem Boden verkaufen wollte, die er im Gemeindegebiet von Magòria besaß und die ihn weitgehend mit den für sein Geschäft unentbehrlichen Trauben versorgten. Martí bedachte das Für und Wider, und zwei Umstände unterstützten und beschleunigten seine Entscheidung. Als er in der »Goldenen Ähre« – einer Schänke, die er recht oft aufsuchte – Zeuge eines Gesprächs wurde, erfuhr er als Erstes, dass eine nahe bei den betreffenden Weinbergen liegende Mühle zu einem erschwinglichen Preis verkauft wurde; und als Zweites entdeckte er zufällig, dass Omar, der Sklave, den er zusammen mit dessen Familie in La Boquería erworben hatte, sich bei allem gut auskannte, was mit Wasserzufuhr, Kanalisation und Bewässerung zu tun hatte. Zu seiner Überraschung erfuhr er
Weitere Kostenlose Bücher