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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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der sie all ihre Sorgen anvertraute, und Delfín, der Zwerg, der ihre Mußestunden erfreute. Mit ihm führte sie lange Gespräche, die unausbleiblich auf das Thema Schwangerschaft kamen. Da Abt Sant Genís in Toulouse geblieben war, hatte sie Pater Llobet zum neuen Beichtvater bestimmt. Sie hatte ihn durch einen ihrer Höflinge kennengelernt. Unter den neuen Bekannten war er vielleicht der Einzige, dem sie ihr Vertrauen schenkte. Sie verließ sich nicht auf die salbungsvolle und schmeichlerische Hofgesellschaft, die sie täglich belagerte. Umso mehr gefiel ihr die kraftvolle Erscheinung dieses Priesters, der eher wie ein Krieger als wie ein Geistlicher wirkte und immer offen sagte, was er dachte.
    An diesem Morgen unterhielt sich die Gräfin mit Lionor, während beide Frauen mit bunten Fäden einen Wandteppich fertigstellten.
    »Was glaubst du, Lionor, wann werde ich Mutter?«
    »Darüber bestimmt die Natur, Herrin. So etwas lässt sich nicht vorhersagen. Was ich Euch allerdings sagen kann: Je weniger Ihr Euch Sorgen macht, desto leichter können Eure Wünsche in Erfüllung gehen.«
    »Trotzdem ist etwas dafür notwendig, sonst wird ein solcher Wunsch unmöglich. Mein Herr führt ständig Krieg, und wenn wir getrennt sind, gibt es kein eheliches Beilager.«
    »Wenn er aber zurückkommt, muss er zum feurigsten Liebhaber werden.«
    Die Gräfin seufzte. Sie blickte sich um und überzeugte sich, dass sie vor indiskreten Lauschern sicher waren. Dann sprach sie leise weiter:
»Gewiss, Lionor. Doch ich will dir etwas anvertrauen. Ich weiß, dass ich es nicht tun dürfte, und wenn meine Mutter hier wäre, würde ich mich an sie wenden. Aber ich habe nur dich, um über bestimmte Dinge zu reden.«
    »Ich höre Euch zu, Herrin. Ihr wisst ja schon, dass ich wie ein Grab schweige.«
    »Also, es stimmt, dass mir mein Herr Gemahl mit feurigem Ungestüm naht, aber...«
    »Aber was, Herrin?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, mir ist klar, dass solche Dinge ihre Zeit brauchen, und...«
    Lionor sah sie erwartungsvoll an.
    »Wirklich, er ist wie ein Vulkan, doch seine Leidenschaft verströmt, ohne dass Zeit bleibt, damit seine Säfte in mein Inneres gelangen. Nun denn, da habe ich es ausgesprochen!«
    Die Gesellschaftsdame dachte einige Augenblicke nach.
    »Richtig, Herrin, dafür müsst Ihr Abhilfe schaffen.«
    »Und was kann ich tun?«
    »Ihr müsst oft mit ihm zusammen sein, Herrin, damit es kein so besonderes Ereignis ist, dass er Euch bei sich hat. So wird er sich beruhigen und bedächtiger zu Werke gehen.«
    »Aber, Lionor, was kann ich tun, wenn ich ihn alle paar Monate einmal sehe? Soll ich etwa an die Grenze gehen und Krieg mit dem Ungläubigen führen?«
    »Das ist gar kein dummer Einfall: Männer sind sehr sonderbare Wesen, und wenn Ihr als Erholung des Kriegers dient und er jede Nacht in Euch ruht, so irre ich mich gewiss nicht, wenn Ihr gesegneten Leibes nach Barcelona zurückkehrt. Manchmal ist ein Feldbett besser als die weichste Lagerstatt.«
    Almodis wusste, dass ihre Rechte erst gesichert waren, sobald sie dem Grafen einen Erben schenken würde, und das beschäftigte sie so sehr, dass sie gleich nach dem Gespräch mit ihrer Dame jede Gelegenheit nutzte, um entweder mit Delfín oder mit Pater Llobet über dieses Thema zu reden. Sie bedrängte beide mit Fragen, die sie dem Charakter oder dem besonderen Amt der Angesprochenen anpasste.
    An einem regnerischen Morgen, als ihr der Zwerg dabei half, ihre Pflanzen im Gewächshaus zu düngen, belagerte sie ihn wieder mit Fragen.

    »Was wird geschehen, Delfín, wenn die Frist abläuft? Was glaubst du? Werde ich Mutter eines Erben, oder bleibe ich unfruchtbar? Was sagt dir dein Instinkt?«
    Die Flötenstimme des Männleins hallte in dem Gewölbe nach.
    »Ich habe Euch schon tausendmal gesagt, dass meine Vorahnungen plötzlich kommen. Manchmal beziehen sie sich nur auf unbedeutende Dinge, und sie erleuchten mich selten, wenn ich meinen Geist zwingen will, um etwas zu erfahren, was mich wirklich interessiert oder meine Neugier weckt.«
    »Das weiß ich wohl. Aber antworte: Hast du kein Vorzeichen wahrgenommen, das mich aufklärt?«
    »Ein Traum. Ich hatte einen Traum, den ich aber nicht als Vorzeichen ansehen kann.«
    »Um Gottes willen, Delfín! Erzähle mir auf der Stelle, was du geträumt hast. Stimmt es nicht, dass Joseph die Träume Pharaos deutete und dass sich diese als Vorzeichen erwiesen?«
    Delfín fühlte sich immer noch von den Sätzen gekränkt, die

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