Das Vermächtnis des Martí Barbany
sehr gut. Nie kann ich Allah, der allezeit gelobt sei, für den Herrn genug danken, den er uns gewährt hat. Gib zu, dass es reines Glück war, denn an diesem gesegneten Tag hingen wir von der Laune oder der Börse der anderen Bieter ab...«
»Auch ich segne diesen Tag. Nur bei unserem Herrn habe ich Frieden gefunden.«
»Und bist du jetzt glücklich?«, fragte Omar.
»Wie nie zuvor. Ich habe eher eine Freundin als eine Herrin, und was noch besser ist, ich kann unserem Herrn etwas von dem vergelten, was er für mich getan hat.«
»Gut, Aixa. Warum wolltest du mich treffen?«
Die Frau suchte in ihren Röcken und zog den Brief Laias hervor.
»Da, nimm. Darauf wartet unser Herr schon ungeduldig. Ich denke, du weißt, von wem das kommt...«
»Sag deiner Herrin, dass der Brief noch heute Nachmittag seinen Empfänger erreicht«, antwortete Omar lächelnd.
Aixa ging, nachdem sie ihrem Gefährten viel Glück gewünscht hatte.
Omar, der die geheimen Hintergründe der Angelegenheit kannte, lief sogleich zu den Schiffszeughäusern am Strand, denn er wusste, dass sich
sein Herr dort befand. Als er ankam, besichtigte Martí gerade zusammen mit Jofre, welche Fortschritte man bei dem Schiff erreicht hatte. Omar machte ihm ein unauffälliges Zeichen, dass er eine dringende und höchst vertrauliche Bestellung hatte.
Omar wartete in einem respektvollen Abstand, als Martí zu ihm kam.
»Was für ein Auftrag hat dich veranlasst, deinen Platz auf dem Markt aufzugeben und mich an einem solch besonderen Tag am Strand zu treffen?«, fragte Martí, wobei er seinem gebieterischen Ton mit einem offenherzigen Lächeln widersprach.
Nun lächelte auch der Maure.
»Herr, wenn Ihr glaubt, dass der Grund nicht genügt, finde ich mich damit ab, ausgepeitscht zu werden. Hier, nehmt.«
Omar zog den Brief aus seinem Beutel und gab ihn seinem Herrn.
Martí konnte nicht herausfinden, wer darauf seinen Namen geschrieben hatte, doch als er das schelmische Lächeln seines Dieners sah, begriff er.
Er konnte sich nicht bezwingen. Er trat zur Seite, riss das Siegel auf, rollte das Pergament auseinander und las:
Barcelona, den 20. Juni 1053
Herrn Martí Barbany
Lieber Freund!
Ich danke Euch über alle Maßen für Euer Geschenk. Nie hat mir jemand eine größere Wohltat erwiesen. Aixa ist mehr als eine vortreffliche Sängerin, sie ist eine Freundin, die mir Eure Großmut gewährt hat. Die Worte über Eure Gefühle haben mich gerührt. Ich erbebe, wenn ich daran denke, dass ich bei jemandem, der mich nicht kennt, einen so edlen Eindruck hinterlassen habe, und ich fürchte den Augenblick, in dem ich Euch kennenlerne, weil ich Euer Urteil nicht verdiene und weil sich dieses vielleicht ändert, wenn Ihr mich seht. Ich bin eine Frau von gerade erst vierzehn Jahren, die sich heftig nach einem Freund sehnt, dem sie vertrauen kann. Wenn es Euch recht ist, könnte ich Euch am Mittwoch treffen, das ist der Tag des größten Turniers, bei dem die ganze Dienerschaft meines Hauses zuschauen wird. Dann fällt es mir leichter, mich der Aufsicht zu entziehen, der mich mein Stiefvater unterworfen hat. Wir sehen uns, wenn es Euch gefällt, zur neunten kanonischen
Stunde im Haus meiner Amme Adelaida, die ich hin und wieder besuche. Sie wohnt hinter der Sant-Miquel-Kirche, gegenüber der Sakristeitür.
Eure Freundin
LAIA
Martí verwahrte den Brief in der Innentasche seines Wamses. Er konnte sich nicht beherrschen, sondern rannte zu Omar, umarmte ihn und sagte: »Alles recht bedacht: Wenn ich dir den Preis des Briefes bezahlen soll, wie es der Freude entspricht, die du mir bereitet hast, kann ich gleich den Teil des Schiffs verkaufen, der mir zusteht.«
35
Das Stelldichein
A m Nachmittag, pünktlich um zwei Uhr, wandte sich der sorgfältig herausgeputzte Martí, der beinahe in der Luft schwebte, zur Sant-Miquel-Kirche. Omar, der ihm beim Anziehen geholfen hatte, sagte: »Herr, Ihr habt dreimal den Überrock gewechselt. Wenn Ihr das schon heute tut, was werdet Ihr dann erst an Eurem Hochzeitstag tun?«
»Lass mich, Omar«, hatte er entgegnet. »Ich weiß nicht, ob dieser Tag überhaupt einmal kommt. Erlaube mir, dass ich den heutigen Tag genieße, der morgige ist ungewiss, und Gott allein kennt ihn.«
Bevor er ging, stellte er sich vor den Metallspiegel seines Schlafzimmers, und darin sah er das Bild eines sonnengebräunten jungen Mannes mit edlem Blick und selbstbewusster Haltung, der einen grünen, mit schwarzen Borten besetzten Überrock,
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