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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Ohr.





 
     
    A PRIL D ILLINGER
     
    F INRAEL DER D UNKLE
     
     
     
    Und Dibar schuf einen Ring in der Schmiede des Sonnengottes Skedus. Die Macht des Lichts wohnte in diesem Ring, und wer ihn trug, so weiß die Legende, der war für gewöhnliche Sterbliche unbesiegbar. Großherzig schenkte Dibar dem jungen, guten König Lannhuel den Ring, und das Land Tariell erlebte eine nie gekannte Blüte. Lannhuels Bruder Finrael jedoch neidete ihm die Macht, und so zog er eines Tages gegen ihn in den Krieg. Als die Heere aufeinander trafen, wogte der Kampf sieben Tage und Nächte hin und her, und auf beiden Seiten ward viel Blut vergossen. Am Ende standen sich Lannhuel, der letzte Goldene, und Finrael, der Dunkle, allein auf der Walstatt gegenüber. Lannhuel kämpfte mit dem Mut des Helden und der Kraft des Verzweifelten, der um die Bürde weiß, die auf seinen Schultern lastet. Doch Finrael wusste, welche Macht seinem Bruder durch den Ring erwuchs und dass Lannhuel von keinem gewöhnlichen Sterblichen besiegt werden konnte. Listig hatte er beizeiten durch Spione dafür gesorgt, dass ein heimtückischer, schwächender Fieberfluch auf Lannhuel lastete. Finrael der Dunkle musste also nur warten – bis seinen verhassten Bruder am achten Tage der Schlacht von Malvran wieder das Fieber befiel. Derart geschwächt, vermochte nicht einmal der Ring des Dibar seinen Besitzer zu retten.
    Nur die Raben waren Zeugen, als Finrael der Dunkle nach dem Ende des ungleichen Kampfes den Ring an sich nahm. Es war der Beginn einer beispiellosen Schreckensherrschaft…
    Der Regen hatte das Land noch immer fest im Griff. Von der Zinne seiner Feste blickte Finrael auf ein karges Land hinab, das ausgezehrt war wie die Menschen, die darin lebten. Der Ster war weit über seine Ufer getreten und hatte die umliegenden Felder in einen schmutzig braunen Sumpf verwandelt, auf denen in diesem Frühjahr kein Kraut mehr wachsen würde. Zahllose Bäume, das Wurzelwerk unterspült, hatten sich zum Sterben niedergelegt und vermoderten in der schlammigen Brühe. Andere reckten anklagend die Äste zu den Mauern der Feste empor: Gespensterbäume, bleichen Gerippen gleich. Die bleierne Wolkendecke am Himmel löschte sämtliche Farben aus und tünchte die Welt mit Grau und Schwarz.
    Kein Mensch und kein Tier waren zu sehen. Alles Lebendige hatte sich aus der unmittelbaren Umgebung von Finraels Festung zurückgezogen. Der Wind pfiff durch die leeren Straßen des verlassenen Dorfes und sang zwischen den halbzerfallenen Resten der Häuser: ein Wehklagen, die Todesmelodie eines ganzen Tales, melancholisch und grausig zugleich.
    Finrael hatte diesem Klang stets gerne gelauscht. Er kündete von seiner Herrschaft und spiegelte die Dunkelheit wider, die seine Seele umfangen hielt. Doch mit einem Mal konnte er ihm nichts mehr abgewinnen. Er zog ihn hernieder wie ein Mühlstein – wie das Gewicht des Ringes, den er an einer Kette um den Hals trug und der mit jedem Tag schwerer zu werden schien. Seit Wochen glich Finraels einst stolzer, aufrechter Gang dem gebeugten Hinken eines Greises.
    Vom Triumph des einstigen Siegers der Schlacht von Malvran war ihm nichts mehr anzumerken.
    Finrael erinnerte sich an das erste Jahr seiner Herrschaft. Er war in das Schloss seines Bruders gezogen, hatte es zu einer uneinnehmbaren Festung umgebaut und von dort aus das Land mit Tyrannei und Willkür überzogen.
    Dörfer und Städte hatte er ausgeplündert und beim geringsten Zeichen von Widerstand verwüstet, allein um des Vergnügens willens. Und doch hatte ihn nie ein Mensch lachen sehen. Finrael den Dunklen nannten sie ihn. Der Ring sicherte ihm die Macht, und es hatte längst niemanden mehr gegeben, der ernsthaft Widerstand zu leisten gewagt hätte… bis das Elend so groß geworden war, dass Bauern, Kaufleute, Handwerker und Tagelöhner sich in ihrer Verzweiflung zusammengeschlossen hatten, um einen Aufstand zu wagen.
    Finrael hatte ihn gnadenlos niedergeschlagen.
    Von Stadt zu Stadt war er gezogen mit seinem Heer, um mit gnadenloser Faust blutige Ernte zu halten. Für jeden getöteten Soldaten hatte er hundert Aufständische köpfen und vierteilen lassen, und fast ein Zehntteil aller Dörfer und Städte war für immer von der Landkarte seines Reichs verschwunden.
    Finrael erinnerte sich gut an das letzte Rebellennest: ein kleines Dorf im Schutz hoher Berge, das bis zum Schluss erbitterten Widerstand geleistet hatte. Die Bauern hatten den einzigen Zugang zum Ort, einen schmalen

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