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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Augen dabei auch ernst blieben, ohne jedoch unfreundlich zu wirken, und da ihm Raskeils Neugierde nichts auszumachen schien, setzte dieser seine Musterung fort. Der Fremde hatte schmale, sehnige Hände, die gleichermaßen geschickt wie kräftig wirkten, und ungewöhnlich große, behaarte Füße.
    »Verzeiht«, sagte der Fremde plötzlich. »Ich vergaß, mich vorzustellen. Aber ich treffe so selten andere Menschen, dass ich schon beinahe vergessen habe, wie man miteinander umzugehen hat. Mein Name ist Harbo. Harbo Baggins, um genau zu sein. Aber Harbo genügt. Jedermann nennt mich nur Harbo.«
    Der Klang des Namens schien Raskell an irgendetwas zu erinnern, aber er wusste nicht, woran. »Raskell«, sagte er hastig. »Mein Name ist Raskell. Und der Name meines Begleiters ist Holm.«
    Harbo nickte mehrmals hintereinander und mit nachdenklichem Gesicht, als habe Raskell ihm etwas ungemein Wichtiges verraten. Er lehnte sich zurück, sog an seiner Pfeife und sah zuerst Raskell, dann Holm durchdringend an.
    »Raskell und Holm. Ihr seid Jäger?«
    Raskell blickte fast erschrocken auf sein Gewehr hinunter, aber er kam nicht dazu, zu antworten.
    »Dann sind wir gewissermaßen Kollegen«, fuhr Harbo redselig fort. »Das heißt, wenigstens für den Moment. Ich jage nur so dann und wann, zu meinem Vergnügen.«
    »Oh, ich auch«, sagte Raskell aus einem absurden Bedürfnis heraus, sich zu entschuldigen. »Normalerweise sitze ich den ganzen Tag in einem langweiligen Büro und addiere Zahlenkolonnen. Ich jage nur zur Entspannung. So wie Sie.«
    »Und Euer Freund? Er ist Jäger!« Es war keine Frage, aber Raskell fühlte sich trotzdem gedrängt zu antworten.
    »Holm ist…«
    »Ich bin Jäger«, fiel ihm Holm ins Wort. »Und nicht nur dann und wann wie Mister Raskell.«
    Holms Tonfall ließ Raskell erstaunt aufblicken. Holm saß starr aufgerichtet, beinahe verkrampft neben ihm und musterte Harbo finster. Seine Stimme hatte einen herausfordernden, aggressiven Unterton, den Raskell diesem stillen, schweigsamen Mann gar nicht zugetraut hätte.
    »Ich weiß«, nickte Harbo, ohne auf Holms Tonfall zu reagieren. »Ich wusste es gleich, Freund Holm. Wenn man so lange in den Wäldern lebt wie ich, erkennt man einen Jäger, wenn man ihn vor sich hat.« Er sog erneut an seiner Pfeife, blickte sekundenlang nachdenklich in die knisternden Flammen und beugte sich dann vor, um ein paar Zweige nachzuschieben. »Ahhhhja«, seufzte er. »Es ist lange her, dass ich zuletzt Besuch hatte. Es kommen nicht mehr viele Menschen hierher, in letzter Zeit.«
    »Das Tal liegt auch recht versteckt«, sagte Raskell, weniger aus Überzeugung als aus dem Bedürfnis heraus, überhaupt etwas zu sagen. Harbo begann ihn mit jedem Augenblick mehr zu irritieren. Und er spürte, dass da noch etwas war, weniger zwischen ihm und Harbo als vielmehr zwischen Harbo und Holm. Irgendetwas, eine unsichtbare, schwer zu beschreibende Spannung. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, dass Harbo und Holm sich nicht so fremd waren, wie sie taten.
    »Oh, es liegt nicht versteckt«, widersprach Harbo. »Aber die Menschen haben den Weg hierher vergessen. So wie zu allen anderen.«
    »Allen anderen?«, wiederholte Raskell verblüfft. »Soll das heißen, es gibt noch mehr solcher Täler?«
    »Natürlich«, nickte Harbo. Seine Augen funkelten spöttisch. »Täler wie dieses, aber auch größere. Ganze Länder, Freund Raskell. Nur den Weg«, seufzte er, »den Weg haben die meisten vergessen. Wenn ich Eure Waffen sehe, vielleicht nicht zu Unrecht.«
    Raskell griff instinktiv nach dem Gewehr. »Was haben Sie dagegen? Es ist eine Zweitausenddollarbüchse.«
    »Sie tötet«, antwortete Harbo.
    Raskell blinzelte verwirrt. »Natürlich«, antwortete er. »Das tun alle Waffen. Als Jäger sollten Sie das wissen.«
    Harbo nahm umständlich die Pfeife aus dem Mund, klopfte sie auf einem Stein aus und zerrieb die Glut zwischen Daumen und Zeigefinger, ehe er antwortete.
    »Vielleicht bin ich ein Jäger anderer Art als ihr«, sagte er leise. »Seht, Freund Raskell, man kann nicht nur auf eine Weise jagen, und es gibt mancherlei Wild, das mit Waffen wie der Euren nicht zu erlegen ist.«
    »Und welches Wild jagt Ihr?«, grollte Holm.
    »Kein Wild«, antwortete Harbo. Er lächelte immer noch, aber der Blick seiner Augen war eisig. Raskell schauderte. »Ich zog aus, eine Fee zu fangen. Es ist schwer, wisst Ihr. Man braucht sehr viel Geduld, denn sie sind scheu und fliehen beim leisesten Geräusch.«
    »Eine…

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