Das Vermächtnis des Rings
Fee?«, echote Raskell fassungslos.
Harbo nickte. »Was ist daran so sonderbar?«, fragte er. »Seid Ihr nicht auch hierher gekommen, um ein außergewöhnliches Wild zu jagen? Holm versprach Euch etwas, das es nur hier und sonst nirgendwo auf der Welt gibt, und Ihr habt ihm geglaubt.«
»Aber… eine Fee…«
»Natürlich jage ich sie nicht wirklich«, fuhr Harbo lächelnd fort. »Sie sind verwundbare, zerbrechliche Geschöpfe, die schnell erschöpft wären. Man muss vorsichtig mit ihnen sein.«
Allmählich begann Raskell seine Verwunderung zu überwinden. Im Grunde war die Erklärung sehr einfach. Entweder war Harbo verrückt – was er allerdings nicht recht –, oder er machte sich mit den beiden Fremden einen Spaß und nahm sie gehörig auf den Arm. Und warum sollte er das Spiel nicht mitspielen?
»Und was machen Sie mit ihnen, wenn Sie sie gefangen haben?«
»Sie wieder freilassen, was sonst?«, entgegnete Harbo erstaunt. »Aber natürlich erst, nachdem sie mir einen Wunsch erfüllt haben«, fügte er listig hinzu.
»Ich nehme an, Sie verwenden dazu Kugeln aus geweihtem Silber«, sagte Raskell ernsthaft.
Harbo wirkte erschüttert. »Freund Raskell, ich bitte Euch! Nicht einmal ein Dämon käme auf die Idee, eine Fee mit einer tödlichen Waffe zu bedrohen. Ganz davon abgesehen, dass es sinnlos wäre, da sie ja bekanntlich keinen wirklichen Körper besitzen. Nein. Ich benutze ein Netz.«
»Ein Netz?«
Harbo griff unter seinen Mantel und zog einen kleinen, in graues Tuch eingeschlagenen Gegenstand hervor. »Ein besonderes Netz, natürlich. Mein Vater gab es mir, und vor ihm besaß es sein Vater und dessen Vater. Es heißt, es wäre von einem Elfenkönig gemacht worden, aber ich persönlich glaube nicht daran. Heute bekommt man so etwas ja nicht mehr, aber zu Zeiten meines Urgroßvaters konnte jeder Zauberer größere Wunder vollbringen. Es ist aus Mondlicht gewoben, seht Ihr?« Er legte den Gegenstand vor sich auf den Boden und begann das Tuch langsam auseinander zu falten.
Raskell blieb das Lachen buchstäblich im Hals stecken. Zehn, zwanzig Sekunden lang saß er wie betäubt da und starrte das feinmaschige Gespinst aus ineinander verwobenen Lichtstrahlen an; unfähig, den Blick zu wenden oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
»Wunderbar, nicht?«, flüsterte Harbo.
Raskell nickte mühsam. »Darf ich es… anfassen?«, fragte er stockend.
Harbo lachte leise. »Versucht es, Freund Raskell. Versucht es ruhig.«
Raskell beugte sich vor und griff nach dem zusammengefalteten Netz. Aber seine Hand glitt durch das silbern schimmernde Material hindurch.
»Es…«, begann er, brach ab und starrte Harbo verwundert an. »Es geht nicht!«
Harbo kicherte.
»Natürlich nicht. Es ist aus Licht gemacht, und wer hat wohl schon davon gehört, dass man Licht anfassen kann.« Er schüttelte den Kopf, legte das Tuch wieder zusammen und verstaute es unter seinem Mantel. »Ihr Halblinge seid doch alle gleich«, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu Raskell oder Holm. »Ihr bezwingt die Natur und fliegt zum Mond, aber die einfachsten Dinge begreift Ihr nicht. Auf welches Wild geht Ihr? Rehe? Es gibt prächtige Böcke hier. Erst vorhin sah ich eine ganze Herde, unten am Fluss.«
Raskell tauschte einen Blick mit Holm. Holms Gesicht wirkte verkniffen; die Lippen waren wie in stummer Wut aufeinander gepresst, und im flackernden Licht des Feuers wirkte er bleich und angespannt. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und warf Raskell einen warnenden Blick zu.
»Wir… äh… wissen noch nicht, was wir jagen werden«, antwortete Raskell unsicher. Aber er spürte sofort, dass seine Worte nicht sehr glaubhaft klangen.
Harbo starrte ihn sekundenlang schweigend an, dann ging eine erschreckende Veränderung mit ihm vor. Seine Schultern sanken nach vorne. Das freundliche Glitzern in seinen Augen erlosch. Sein Gesicht schien einzufallen, zu altern, war plötzlich nicht mehr das eines freundlichen Zwerges, sondern das zerfurchte Gesicht eines verbitterten, enttäuschten alten Mannes.
»Du lügst, Freund Raskell«, sagte er traurig. »Warum müsst Ihr Halblinge immerzu lügen? Ich weiß, dass ihr nicht auf Rehe geht. Ich wusste es schon vorher. Aber ich hoffte, mich zu täuschen.«
Raskell wollte etwas antworten, aber Harbo brachte ihn mit einem raschen Kopfschütteln zum Schweigen. »Nein, sag jetzt nichts, Freund Raskell. Lüg nicht noch mehr. Es reicht, wenn Ihr Eure Waffen in dieses Land gebracht habt. Bringt nicht
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