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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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nachdem Angelia erleichtert festgestellt hatte, dass das Wellkraut beste Wirkung gezeigt hatte. Sie dankten Frisia für die Gastfreundschaft, doch Angelia machte einen betrübten Eindruck.
    »Mach dir keine Vorwürfe, Angelia«, sagte Shanna und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Du hast es versucht, darauf kommt es doch an.«
    Angelia schüttelte zögerlich den Kopf. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie schließlich. »Was nützt ein Versuch, wenn er nichts am Lauf der Welt ändert?«
    Shanna blickte sie eine Zeit lang an, dann sagte sie: »Es wird nicht dein letzter Versuch bleiben, Angelia. Da bin ich mir sicher.«
    Frisia nickte zustimmend, und sie lächelte Angelia so lange aufmunternd an, bis sich auch auf ihrem Gesicht der Anflug eines Lächelns zeigte.
    Die beiden Frauen stiegen auf ihre Pferde und ritten los, Frisia winkte ihnen nach, bis sie in der Ferne verschwunden waren.
    Da habt ihr Recht, dachte sie. Alle sollten davon erfahren, was hier geschehen ist. Vielleicht ist der nächste Versuch dann nicht nur ein Versuch, sondern ein Erfolg.





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    Der Tag war schön gewesen, und er endete, wie er begonnen hatte: warm und mild, ungewöhnlich warm, selbst für diese Jahreszeit; azurblauer Himmel, auf dem sich nur selten kleine, gemächlich dahintreibende Herden flockiger Schäfchenwolken zeigten, lauer Wind und das Gefühl wärmender Sonnenstrahlen auf Gesicht und Händen, und gegen Abend das warnende Grollen eines Wärmegewitters, ohne dass sich mehr als ein flüchtiger grauer Streifen am Horizont gezeigt hätte. Der warme Wind hatte sie die ganze Zeit begleitet, vom Tal und der Stadt die Hügel hinauf, den Flusslauf entlang und schließlich in die Berge, er, das Zirpen der Grillen und Vögel und das Rascheln der Blätter, vermischt mit dem Duft des Waldes und einem gelegentlichen Huschen und Knacken, wenn irgendein Tier aufgeschreckt und aus seinem Versteck getrieben wurde.
    Raskell wechselte sein Gewehr von der rechten auf die linke Schulter und blieb einen Moment lang stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und Atem zu schöpfen. Sie waren bei Sonnenaufgang aufgebrochen und seither fast ununterbrochen gelaufen, und er glaubte, jeden einzelnen Muskel im Leib schmerzhaft zu spüren. Und er war müde, auf eine sonderbare, beinahe wohltuende Art erschöpft. Trotzdem ging er nach wenigen Augenblicken widerspruchslos weiter. Holm hatte ihn gewarnt, nur einmal und in fast beiläufigem Tonfall, aber Raskell hatte seine Worte ernst genommen. Es würde schwer werden, alles andere als ein Spaziergang, und für ihn, den an Klimaanlagen und Aufzüge gewöhnten Stadtmenschen, vielleicht zur Tortur. Zu Anfang hatten sie noch miteinander geredet, viel und vielleicht mehr, als nötig war – vielleicht mehr, als gut war –, aber mit jeder Meile, die sie weiter ins Gebirge vordrangen, waren ihre Gespräche leiser und einsilbiger geworden und gleich dem Bach, der sie auf ihrem Weg durch die Wälder begleitete, von einer sprudelnden Flut zu einem ruhigen Dahinfließen, schließlich zu einem Plätschern zusammengeschmolzen und irgendwann ganz versiegt. Erst später war Raskell aufgefallen, dass im Grunde nur er die ganze Zeit geredet hatte. Holm hatte lediglich geantwortet, ausführlich und wo nötig detailliert und geduldig, aber er hatte nie von sich aus das Wort ergriffen. Und jetzt fiel ihm auch ein, was die Leute unten im Dorf über Holm erzählt hatten. Dass er schweigsam und verschlossen war, eine Art moderner Einsiedler, introvertiert, ohne exzentrisch zu sein. Aber Raskell hatte erst später begriffen, dass es eine besondere Art von Schweigsamkeit war, eine Stille, die Kommunikation nicht ausschloss, sondern nur auf ein vernünftiges Maß reduzierte. Für Raskell, den Stadtmenschen, wäre der Gedanke an einen ganzen Tag, an dem er wenig mehr als vier oder fünf Sätze redete, unvorstellbar gewesen. Aber er gewöhnte sich erstaunlich rasch daran. Vielleicht auch, weil Holm nicht versuchte, ihm sein Schweigen aufzudrängen.
    Sie hatten gegen Mittag gerastet, kaltes Büchsenfleisch gegessen und Wasser aus dem Bach getrunken; Raskell hatte ein wenig geschlafen, nicht lange, aber tief, sodass er sich hinterher merkwürdig frisch und voller neuer Energie gefühlt hatte und ihm Holms Tempo beinahe zu langsam erschien. Aber er sagte nichts, sondern passte sich der Geschwindigkeit seines Führers stumm und ohne Protest an. Es war Holms Expedition,

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