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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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dann mit dem Prolog und den Anhängen zu The Lord of the Rings. Er enthält zudem das Fragment ›The New Shadow‹, eine Fortsetzung zum ›Herrn der Ringe‹, die Tolkien freilich bald aufgab, weil sie ihm selbst zu banal erschien, und ein weiteres Fragment aus der Sicht menschlicher Einwohner von Mittelerde. Dies war Teil eines Projekts, die Historie der Welt, die bislang in erster Linie durch die Augen der Eiben und der von ihnen beeinflussten Völker gesehen wurde, nun auch aus anderen Blickwinkeln zu betrachten; mit dem fortschreitenden Alter des Autors wurde es nicht mehr realisiert.
    Doch ist an diesen mit viel Sorgfalt und Sachkenntnis zusammengestellten Zeugnissen mehr als nur Futter für Tolkien-Freaks und Material für künftige Dissertationen? T. A. Shippey, ein bekannter englischer Kritiker und seinerzeit Nachfolger Tolkiens auf dem Lehrstuhl in Leeds, der mit A Road to Middle-earth (1982) die wohl beste Einführung in Tolkiens Denkweise gegeben hat, verweist in dem Nachwort der revidierten Ausgabe von 1992 auf eine Eigentümlichkeit der Lesart hin, an die man sich erst gewöhnen muss, wenn man sich mit solchen Texten beschäftigt. Der Leser ist es nämlich gewohnt, Literatur als Ergebnis zu sehen: als einen Text, den der Autor bis zu einer gewissen Vollendung gebracht hat. Was jedoch die ›History of Middle-earth‹ bietet, ist Literatur als Prozess, die Verflechtung der sich entwickelnden Historie einer imaginären Welt mit der Entwicklung der damit verbundenen Ideen im Leben des Autors.
    Zudem, so hat es den Anschein, steckt hinter diesem immer wieder neuen Erzählen derselben Geschichten in immer wieder anderen Varianten und Textformen auch ein systematischer Ansatz. So gibt es allein von der Geschichte von Luthien und Beren, der Eibenmaid und dem Menschen, der um sie wirbt, vier größere Fassungen, und in einer davon kommt das zentrale Element – dass Beren am Ende in seiner abgetrennten Hand im Maul des Ungeheuers den Silmaril, das Unterpfand seiner Liebe, trägt – nicht einmal vor! Der Eindruck, der sich aufdrängt, ist der, dass Tolkien in der kurzen Zeit eines Menschenlebens versucht hat, seine Geschichten einem künstlichen, komprimierten Alterungsprozess zu unterziehen, ähnlich dem, wie ihn mündliche Überlieferungen im Laufe von Jahrhunderten erfahren – ein Phänomen, mit dem Tolkien als Philologe vertraut war. Vielleicht ist so der Eindruck von Tiefe, von historischer Dimension, zu erklären, der dem ›Herrn der Ringe‹ in viel stärkerem Maße anhaftet, als es bei den oberflächlichen oder bloß enzyklopädischen Historien der meisten Fantasy-Romane der Fall ist.
    Zumindest ein Vorurteil darf man nun wohl endgültig zu den Akten legen: dass Tolkien relativ wenig geschrieben habe. Er war im Gegenteil von einer immensen Produktivität, nur eben ein Perfektionist, der nur selten etwas so zu Ende zu führen vermochte, wie es seinen Ansprüchen entsprach. Vermutlich war es darum für ihn ein Glücksfall, mit dem ›Hobbit‹ auf die relativ harmlose Form des Kinderbuches gestoßen zu sein, die ihm die Freiheit gab, seine eigenen Ansprüche zurückzustecken.
    Ist es aber, so erhebt sich zwangsläufig die Frage, legitim, Werke eines Autors an die Öffentlichkeit zu bringen, die von ihm in dieser Form nie zur Veröffentlichung vorgesehen waren? Bei einigen der kleineren Schriften wie The Father Christmas Leiters (1976; dt. Die Briefe vom Weihnachtsmann, 1977), Mr. Bliss (1982; dt. Herr Glück, 1983) oder Roverandom (1998; dt. 1999), muss man sich ernsthaft fragen, ob es wirklich zulässig ist, die naiven Erzählungen und Handzeichnungen für die Kinder des Verfassers als literarische Schätze auszugeben. Die Edition der Manuskripte dagegen steht durchaus auf einem anderen Blatt. Wie Christopher Tolkien einmal gesagt haben soll, als man ihn beschuldigte, nun den Bodensatz des Fasses auszukratzen, um auch daran noch zu verdienen: ›Some barrel, some scrape.‹ (Sinngemäß: ›Nur wo ein Fass ist, lässt sich auch kratzen.‹) Zumindest wird derjenige, der sich darauf einlässt, die Erfahrung machen, dass sich für ihn immer weitere Bedeutungsebenen des Gesamtwerkes von Tolkien erschließen, die den persönlichen Genuss und den Wert der Lektüre steigern.
    Natürlich ist das Ganze auch ein kommerzielles Phänomen. Die letzte umfassende Bibliographie, J. R. R. Tolkien: A Descriptive Bibliography (1993) von Wayne C. Hammond, nennt dankenswerterweise auch einige Auflagenzahlen. So hat sich

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