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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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beginnen.
    Wir hatten gerade das Da Capo im Zweiten Teil beendet, da, wo eine majestätische Pause eingelegt wird, eine Pause, die die ganze Erhabenheit des Stücks unterstreicht, da machte es plötzlich ›Platsch‹. Irgendjemand oder irgendetwas hatte da doch tatsächlich einen Stein hinuntergeworfen! Und dann konnte ich wieder das vertraute ›Tap-tap-tap‹ hören, das die Gänge von oben bis unten durchschallt. Sie waren zurückgekommen. Zum dritten Mal. Schluss mit lustig.
    Diesmal, das schwor ich mir, würde ich selbst mit ihnen aufräumen. Ich packte mein Mikro und den Taktstock noch ein wenig fester vor Wut über diese permanenten Störungen und machte mich auf den Weg nach oben. Die Rowdys waren schon unterwegs, und die Drummer wollten ebenfalls dabei sein; das war gar keine so üble Idee, wir konnten dabei gleich das Marschieren üben, denn in den letzten hundert Jahren hatte ich mir überlegt, dass ein bisschen Action der ganzen Show gut tun würde. Ich hatte sogar selbst schon einige besonders effektvolle Flügelschläge, Sidestepps und Sprünge geübt, und wenn ich sehe, was die Bands hierzulande so auf der Bühne machen, muss ich sagen, dass ich nicht nur ganz richtig lag, sondern meine Sache auch sehr passabel gemacht habe. Genützt hat es wenig, aber dazu später.
    Wir – die Drummer und ich – hatten kaum vierzig Stockwerke überwunden und waren so richtig schön in Fahrt gekommen, da hörte ich schon wieder diese Schritte, diesmal sogar näher als vorher. Diese gefährlich frechen Kreaturen hatten nichts, aber auch gar nichts begriffen. Statt wegzulaufen, kamen sie näher. Mit Erschrecken spürte ich aber noch eine… andere Präsenz, eine Gegenwart, die ich von früher her kannte. Es musste ein Speichellecker der Super Illus Prinzen sein, ich konnte seine Tremolostimme ganz deutlich hören. Ich ließ mir Zeit nachzudenken, bis ich wieder wusste, wer er war: Olli, den wir auch den ›Traumtänzer‹ genannt hatten. Was suchte ausgerechnet der hier? Olli war weder ein besonders guter Sänger noch in überhaupt irgendetwas gut, er war, so leid es mir tut, etwas Schlechtes über einen ehemaligen Kollegen sagen zu müssen, bloßer Durchschnitt, eine komplett graue Maus. Genau der Typ, den Super Illu als Kanonenfutter einsetzen würde, oder sollte ich besser sagen: als Spion?
    Natürlich. Jetzt hatte ich endlich den vollen Durchblick: Olli war als Spion geschickt worden, um unsere Musik abzukupfern. Hatten die Ewiggestrigen, die Chorknaben, endlich begriffen, dass das Herz im Takt der Basedrum schlug; aber statt uns wieder zu engagieren, wollten sie uns ausspionieren. Groll stieg in mir hoch. Sie hatten uns rausgeschmissen, ignoriert, die Bühne gesperrt und uns auch noch die ganzen Zuhörer geschickt, als seien wir nicht immer noch Künstler, sondern bloß Publikum. Und jetzt wollten sie uns unsere Musik stehlen – wenn du versuchst dir vorzustellen, wie die Hellwig-Schwestern plötzlich als Rolling Stones auftreten (das gleiche Alter haben sie ja), verstehst du vielleicht, was ich meine; Heino hat’s ja praktisch vorgemacht, und manchmal überlege ich, ob der Typ nicht irgendwie ein bisschen wie Curumo ist (vielleicht haben sie auch ihn hierher geschickt, wer weiß?). Aber zurück zur Geschichte: Olli durfte nichts herausbekommen und, viel wichtiger: Er durfte selbst nicht mehr herauskommen. Der miese kleine Trickser hat sich sogar erdreistet, mir eine Tür vor der Nase zuzuknallen! Glücklicherweise hat man als Hausherr immer einen Nachschlüssel zur Hand, und so konnte ich ihn und seine Begleiter bald einholen – scheinbar hatte er sich als Schützenhilfe von jeder Spezies mindestens einen Begleiter gesucht. Sie waren schon beträchtlich ins Studio vorgedrungen, aber jetzt war endgültig Schluss. Ich ließ die Drummer und Rowdys Aufstellung nehmen und wies sie mit dem Mikro an, ihre absolut heißesten Rhythmen anzuschlagen: ›Ghash! Ghash!‹ Whow, das ging vielleicht ab, die Verstärker waren echt ihr Geld wert gewesen, meine Stimme hallte optimal wider. Jetzt machte es sich auch bezahlt, dass ich Jahrtausende auf die richtige Statik verwendet hatte, denn alles vibrierte im Takt mit, verstärkte die Trommelschläge und ließ sie nachhallen, dass es eine Freude war. Ich konnte hören, wie Olli keuchte: »Es wird heiß!«, und wusste genau, dass er sich im Innersten noch immer gegen unsere Art der Musik sträubte. Unwichtig, ich hatte ihn genau da, wo ich ihn haben wollte. Auf dem schmalen

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