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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Grat zwischen Genie und Wahnsinn, der allen meiner Art früher oder später zum Verhängnis wird, trafen wir aufeinander: Er hatte eine lächerliche Gestalt angenommen, alt und grau und irgendwie sterblich. Nun, seine Entscheidung. Das würde es mir nur einfacher machen.
    Dann erklang plötzlich eine Wimmerstimme und sang etwas, das wie ›Wehe, Wehe!‹ klang. Beinahe hätte mich das aus dem Konzept gebracht. Olli hatte doch tatsächlich die Dreistigkeit besessen, einen aus den Fischerchören mitzubringen, irgendeinen schöngeistig-versponnenen Freizeit-Kastratensänger, die versuchten, Super Illus Prinzen nachzueifern und sich stattdessen Super Illus Erstgeborene nannten. Einfaltspinsel allesamt. Ich musste an mich halten, nicht sofort auf ihn loszugehen, konnte mich jedoch gerade noch zügeln. Olli war es, auf den ich mich konzentrieren musste. Wenn er entkam, würde er ›Trommeln in der Tiefe‹ nicht nur bei allen Zuhörern vorab bekannt machen, sondern, was viel schlimmer war, auch Super Illus Prinzen. Mein Groll war mittlerweile so gewaltig, dass ich fast schon zu glühen schien; ich wusste, dass das bei meinen Jungs und bei den Begleitern Ollis gehörig Eindruck machen würde, und die Flamme meines Zorns brannte noch heller, als – Olli musste irgendein Zeichen gegeben haben – einer der Sterblichen auf der anderen Seite des Grats plötzlich meinen Drummern seinerseits Musik entgegensetzte. Es war ein blökender, unharmonischer Ton, der meine ganze Komposition durcheinander brachte und geradezu verhöhnte. Ich knirschte mit den Zähnen. Ich muss dabei irgendwie mit dem Mikro zu hektisch gewedelt haben, denn es gab einen scharfen Knall. Knisternde Funken liefen das Kabel entlang, das plötzlich abgerissen in der Luft baumelte, und sprangen an mir hoch und bis auf den Taktstock, der unglücklicherweise Feuer fing (in diesem Moment dachte ich nur daran, dass ich mir einen neuen würde machen müssen, wenn all dies hier vorbei wäre).
    Womit ich nicht gerechnet hatte: Olli blieb stehen. Es schien fast, als wolle er gar nicht fliehen, denn er faselte etwas wie: »Du kannst nicht vorbei.« Hatte dieser aufgeblasene Wichtigtuer doch tatsächlich vor, mich jetzt sogar in meinem eigenen Tonstudio festzusetzen, nur damit ich keinen Weg mehr zu den Zuhörern finden sollte!
    Das wollen wir doch erst mal sehen, dachte ich bei mir, ging forsch auf ihn zu und wedelte mit dem Taktstock – diese ganzen zweitklassigen Sänger haben eine enorme Angst vor dem Taktstock, wie ich aus meiner Zeit bei Super Illu noch wusste, und ich war sicher, Olli würde zurückweichen. Aber Olli überraschte mich erneut: Er hatte irgendeinen Stock aus Metall bei sich – ein Taktstock war es gewiss nicht – und zerschlug mir meinen wunderschönen Dirigentenstab. Dass sein eigener Stock dabei auch kaputtging, war das mindeste, was ich erwarten konnte, aber so rechte Befriedigung wollte bei mir trotzdem nicht aufkommen. Olli hatte deutlich dazugelernt. Vielleicht mussten wir nun doch in ein Stadium der Verhandlungen eintreten, einen Kompromiss.
    »Na schön«, zischte ich ihm zu, »lass uns reden!« Ich war sauer und traurig, dass jetzt schon Dirigentenstab und Mikro kaputt waren und meine Proben sich bis ins Unendliche verzögern würden, und hüpfte, gedankenverloren meine Tanzschritte noch einmal durchspielend, weiter auf den Grat, ohne mir großartig Gedanken um Olli zu machen. Aber diese falsche Schlange dachte nicht einen Moment daran, auf mein Angebot einzugehen, im Gegenteil: Als ich ihn beinahe erreicht hatte, setzte er seine ganze Kraft ein und zerstörte den Steinbogen. Ich war vollkommen überrascht und fiel.
    Obwohl ich Flügel hatte, fiel ich einfach. Und Olli fiel mit mir, der Tollpatsch musste sich irgendwie im Mikrokabel verheddert haben. Typisch Olli! Ich erkannte, dass es nutzlos gewesen wäre, wieder nach oben zu fliegen, denn dieser tückische Kerl hatte sich mit dem Mikrofonkabel praktisch an mir festgekettet und wäre auf dem gleichen Weg nach oben gelangt. Also ließ ich mich immer weiter fallen, schließlich hatte ich nichts zu befürchten. Dachte ich.
    Ich Narr.
    Denn als wir endlich auf dem Grund ankamen, ging das Ganze erst richtig los. Ich beschuldigte Olli gleich der Spionage, aber er hatte die Frechheit, mich einfach nur anzugrinsen und den Kopf zu schütteln.
    »Du irrst«, sagte er, »ich bin hier wegen der Räumungsklage.«
    Meine Augen traten mir fast aus dem Kopf. »Räumungsklage?«
    »Ja«, bestätigte er

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