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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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drinnen und malte in einer Ecke des Klassenzimmers Bilder. Sein ausländischer Vater ließ sich nie blicken, aber wenn seine Mutter ihn abholen kam, nahm sie ihn so fest in den Arm, dass er sicher sein konnte, am nächsten Morgen erst recht gehänselt zu werden.

    Sie fütterte ihn mit Kakao und Hefegebäck, Pfannkuchen und süßem Porridge, aber von nichts nahm dieser spinnenhafte Junge zu, der weder seinem Vater noch ihr zu ähneln schien. Sie brachte ihn zu Ärzten und Spezialisten, die sagten, ihm fehle nichts, und sie verabreichte ihm dubiose Mittelchen, die seine Großmutter empfohlen hatte. Sie ertränkte ihn in Küssen und hüllte ihn in Liebe und hielt ihn in ihrer erbarmungslosen Fürsorge gefangen.
    Als er sieben Jahre alt war, zogen sie aus der grauen Straße in die Vorstadt, in eine Doppelhaushälfte mit einem Rasenstück, wo meine Mutter rote Pfingstrosen und Begonien pflanzte und an Wohltätigkeitsbasaren im örtlichen Gemeindehaus teilnahm. Woche um Woche fuhr er mit dem Fahrrad wieder nach Harris Grove und stand gedankenverloren vor den Fenstern des alten Hauses, das er jetzt vermisste und in dem er, davon war er überzeugt, einmal glücklich gewesen war.
    (Ein leises Klopfen am Fenster: Ich zog den Vorhang zurück, und da war mein Bruder, sein Gesicht blass in der Dunkelheit, tropfnass, die Schultern vor dem Regen schützend hochgezogen. Er sah mich an und sagte nichts. Ich hatte ihn nie so verletzlich gesehen wie in diesem Moment.)
    Als er zwölf Jahre alt war, erfüllten sie ihre elterliche Pflicht und schickten ihn zum Rabbiner, damit er die Buchstaben des hebräischen Alphabets lernte, sich seinen Abschnitt einprägte und den Segen singen lernte, wie es heiliges Gesetz ist. Er schwänzte, saß stocksteif da und verweigerte sich, steckte seine Bestechungsgeschenke ein und weigerte sich zu lernen. Nach drei Monaten kam der Rabbiner und sagte: »Es tut mir leid, aber den Jungen kann man nicht unterrichten.«
    Der Junge wurde störrisch und schweigsam. Er wurde verdrießlich und unnahbar. Er versteckte seine Schuhe, damit
sein Vater sie nicht putzen konnte. Allabendlich beim Essen saßen Vater und Sohn einander mit derselben Wut im Blick gegenüber, murmelten dieselben wortkargen Sätze. Das Haus war erfüllt von Geheimnissen und Anschuldigungen, schweigsamen Mahlzeiten und greifbarer Spannung, plötzlichen Ausbrüchen von Zorn und Zurechtweisungen.
    (Ich öffnete die Tür, und da stand er und schwankte leicht. In seinem Atem roch ich das Bier, das er getrunken hatte.)
    Als er fünfzehn war, hatte mein Bruder eine Freundin. Sie war blond und hübsch, und sie lispelte. Ihr Name war Annabel. Meine Eltern mochten sie nicht und beendeten die Sache.
    Und als er siebzehn war, ließ mein Bruder sich das Haar wachsen und blieb lange aus und trank Bier, er trug Jeans und eine Nehru-Jacke und lief Mädchen hinterher, Mädchen, die meinen Eltern nicht gefielen, er wurde festgenommen und aufs Polizeirevier gebracht, er fiel durch seine Prüfungen, hörte laute Musik und geriet in schlechte Gesellschaft, er wollte ein Auto, und meine Mutter besorgte ihm ein Auto, und er fuhr zu schnell und landete im Graben, er war launisch und unflätig, oberflächlich und verantwortungslos, er wusste nicht, wo er herkam, er wusste nicht, wo er hinging, und es würde nie etwas aus ihm werden, sagte mein Vater. Mein Vater sagte, dass er ihn nicht verstehe, dass er es später bereuen würde, dass kein Elternteil solchen Kummer verdient habe.
    Sie saßen sich am Abendbrottisch gegenüber und spuckten Gift, und mein Bruder hatte Mord und Selbstmord in den Augen.
    Er saß im Halbdunkel auf meinem Bett, lachte über seine Heldentaten in der Lounge Bar des Cavendish Hotels, aber
hinter seinem Lachen konnte ich die verzweifelte Traurigkeit meines Bruders spüren, als schwebe eine dunkle Wolke um seinen zerzausten Kopf herum. Ich berührte seine Hand und spürte ihre Kälte, die mir sagte, wie lange er draußen gewesen und im Regen herumgelaufen war. Unser familiäres Desaster machte mich ganz benommen.
    Und so blieb ich auf dem Pfad der Tugend: eine gute Schülerin und gehorsame Tochter. Ich bestand meine Prüfungen, lernte die Liturgie auswendig, sang auf Anfrage, lernte die Konjugationen. Ließ mein Gehirn die gesamte archaische Schwärze der Bibel aufnehmen, als könnte ich dadurch meinen Vater glücklich machen, ihn seine Enttäuschung verschmerzen lassen, auf seine Leere reagieren, seine Liebe stillen.
    Und als mein Bruder

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