Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
einem Gefolge von hundertfünfzigtausend bewaffneten Männern. Sie ritten wilde Pferde, die mit Hammelfleisch und Wein gefüttert wurden und die gefesselt und mit einem Maulkorb versehen werden mussten, bevor man aufsteigen konnte; die Reiter wiederum mussten mit den Füßen an den Steigbügeln festgebunden werden, damit sie nicht abgeworfen wurden.
Er studierte den Bericht von Eldad Hadani, der seine Heimat hinter den Flüssen von Kusch verließ, Schiffbruch erlitt und in die Sklaverei verkauft wurde; der für zweiunddreißig Goldstücke von einem Juden gekauft und in das Königreich des Stammes Issaschar in den Bergen von Paran
gebracht wurde. Des Weiteren las er von Montezinus, der glaubte, die Indianer stammten von den verlorenen Israeliten ab, und über die Clans am Amazonas, die lange Bärte trugen, die Leviratsehe praktizierten und bruchstückhaft Hebräisch sprachen. Die Karen von Burma hatten »ein jüdisches Äußeres« und die Hindus in Kaschmir »jüdische Gesichtszüge«. Die Basken, die Spanier, die Franken und die Hunnen, die Kreolen, die Mexikaner, die Afghanen und die Japaner, alle waren sie als die zehn verlorenen Stämme ausgemacht worden.
In alten Volksbüchern entdeckte er die blühenden Fantasien von Micah ben Moses, der behauptete, er sei sicher über den felsigen Strom des Sambatyon gebracht worden. Auf der anderen Seite habe ein Königreich mit grünen Feldern und Weinbau, Bergen und großen Wüsten gelegen. In der Hauptstadt stand eine gewaltige Synagoge mit einer Kuppel aus Buntglas, in der der heilige Torahschrein und das ewige Licht nach Westen gen Zion gerichtet waren. In einer Zedernholzkiste hatte er den halb zerfallenen Mantel des Propheten Jeremia gesehen und er hatte in einem mit Gold verzierten Palast eine Audienz beim König persönlich gehabt, der oben auf einem Podest saß, das über unsichtbare Stufen zu erreichen war; zu ihm gelangte nur, wer stark genug im Glauben war. Der König kannte die Torah, er war ein Krieger und Gelehrter, mit dem er viele Stunden lang die Gesetze diskutierte.
Von der sephardischen Gemeinde erhielt Shalom Sheper die Erlaubnis, alte Handschriften, Eigentumsurkunden und Ahnentafeln aus dem alten Bagdad und Reisebücher aus Mesopotamien zu studieren. Er zog mythologische Karten zu Rate, die mit Meeresungeheuern und verblassenden astrologischen Schaubildern verziert waren. Er suchte in der numerologischen Interpretation bestimmter Bibelverse Hinweise
auf den Aufenthaltsort der Stämme und richtete seine Reisepläne danach.
Er ging nicht davon aus, dass er viel Geld brauchen würde, denn wo auch immer man hinging, gab es Juden, und wo immer es Juden gab, gab es Gastfreundschaft. Trotzdem machte er eine Runde durch die Gemeinde. Die Frommen waren beeindruckt und gaben, was sie konnten. Er bediente sich auch aus Batshevas Notgroschen, den sie in einem Krug hinter dem Salztopf versteckt hatte. Sie war empört, als sie den Diebstahl entdeckte, und versteckte ihr Geld fortan an einem sichereren Platz.
Er erhielt auch Unterstützung von einem reichen Mann aus Bagdad, der von Haus aus zwar sephardisch war, aber eine Vorliebe für das Morgenritual der Vatikin entwickelt hatte. Dieser Herr war so vornehm, dass er zwei Frauen hatte, die in getrennten Häusern wohnten; die ältere, die er bevorzugte, zog die Kinder der jüngeren auf. »Ich habe einen Bruder in Bagdad«, sagte er zu Reb Shalom. »Er wird Euch alle Unterstützung geben, die Ihr braucht, aber ich bin sicher, dass er nichts über den Verbleib unserer verlorenen Brüder weiß.« Darüber hinaus gab er ihm einen Beutel mit drei goldenen Napoleons.
Mein Urgroßvater ging in die Straße der Ketten, wo ein sephardischer Muker in Hausschuhen und Turban auf den Stufen zu seinem Hof saß und eine Nargileh rauchte. Der Mann gab zu, noch nie in Babylon gewesen zu sein, aber für dreißig Piaster wollte er ihn bis Damaskus bringen. Shalom Shepher versprach ihm fünfzehn Piaster am Tag der Abreise und fünfzehn, wenn sie am Ziel ankamen.
Dann ging er nach Hause und schnürte ein Bündel mit seinem Gebetsmantel, Gebetsriemen und Psalter. Batsheva sah es und fragte ihn, was er da tat.
»Ich gehe nach Babylon, um nach den zehn verlorenen
Stämmen zu suchen«, antwortete er. Batsheva geriet sofort in Rage.
»Zu so einer Zeit machst du dich einfach davon! Und was meinst du, was ich tun soll, wenn du weg bist?«
Reb Shalom hielt einen Moment beim Packen inne. »Das ist eine interessante Frage«, sagte er. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher