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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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rotes Gesicht bekam, wenn sie übersetzte:
    Wie sängen wir des Ewgen Sang auf Fremdlands Erde?
und die einmal unerklärlicherweise zusammengebrochen war, als sie »Jerusalem« sang. Die ordentliche Dr. Shepher, die einer langweiligen Lebensmitte entgegenalterte, die allein lebte und bis Mitternacht Arbeiten korrigierte und die wahrscheinlich für eine Versetzung vorgesehen war. Die keine Vergangenheit und keine Geheimnisse hatte, die glatt und spröde auf der Oberfläche dahinglitt.
    Jetzt war die Eisschicht eingebrochen, und ich war hindurchgefallen, hinunter, hinunter bis zum Wrack der Vergangenheit, die dort darniederlag; wo der Tod meiner Kindheit und die Leichen meiner Eltern lagen, verlorene Briefe, ein Gebetbuch, ein halb vergrabener Kerzenleuchter für den Shabbat; versengte Familienfotos und der Geist Daniels. Immer wieder der Geist Daniels, mit seinen Locken, die wie Seetang um ihn herumtrieben, und den traurigen Augen. Und seine ewige Frage: Warum bist du nicht mitgekommen, Shula? Warum bist du zurückgeblieben?
    Die Luft auf dem Boden war warm, es war wie unter Wasser, und ich konnte vor lauter Geschichte kaum atmen. Die Fragen durchfluteten mich, füllten meine Lungen, flatterten mir vor den Augen: das Foto von Hannah, das Gesicht meines Vaters, meine Mutter, wie sie schweigend in einem abgedunkelten Zimmer liegt. Ein Fremder mit Schläfenlocken und vertrauten Augen. Ein geheimnisvoller Kodex. Mit einem tiefen Atemzug verabschiedete ich mich endgültig von der Oberfläche und blätterte entschlossen die nächste brüchige Seite um.

Fünfzehntes Kapitel
     
    Zunächst erkannte Batsheva ihn kaum, denn er litt an einer Krankheit namens Habb-es-sene, die zu dieser Zeit in Syrien grassierte und große, weiße Flecken im Gesicht des Kranken hinterließ. Batsheva begann sofort, ihn auszufragen, aber statt zu antworten, wickelte er einen goldenen Schal aus Seidendamast aus seinem Bündel. Darin eingewickelt war ein Buch mit gelehrten Sprüchen für Isaak Raphaelovitch und ein Bündel Lakritze für die Kinder. Dann legte mein Urgroßvater sich auf das Bett hinter dem Vorhang und schlief ein.
    Er war erschöpft und dünner denn je. Sein Gesicht war kaum wiederzuerkennen, voller Falten und abgespannt. Er sah aus wie einer, der Wüsten durchquert und Berge bestiegen hatte und der schließlich mit wunden Füßen und unverrichteter Dinge wieder an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt war.
    Er schlief sechzehn Stunden lang, und als er aufwachte, setzte er sich in die Küche und aß ein Schälchen Suppe. Nach und nach sammelten sich, zunächst noch zaghaft wegen seines Aussehens, die Kinder um ihn. Bald vergaßen sie ihre Zurückhaltung, und er fing an, ihnen von den zehn verlorenen Stämmen zu erzählen.
    Ob er die Stämme gesehen hatte? Oh ja, er hatte sie gesehen. Und wo waren sie? Hinter dem Fluss Sambatyon. Wo war der Sambatyon? Hinter Babylon. Und wo war Babylon? Natürlich im Osten.
    Dann drängten die Kinder sich dichter an ihn und fragten, was er im Land der Stämme gesehen habe. Als Erstes, sagte er, sei er von wundersamen Reitern am Ufer des Flusses Sambatyon in Empfang genommen worden. Sie ritten auf
fliegenden Pferden. Er wurde hoch mit in die Luft getragen und sicher auf die andere Seite gebracht. Auf der anderen Seite lag eine weite Ebene, so groß wie das Meer und voller Felder, auf denen Rosen und Melonen und Gurken wuchsen: goldene Rosen und Gurken so groß wie Bäume. Drei Tage lang waren sie durch Weinberge geritten, in denen riesige Trauben hingen. Der Staub auf dem Boden bestand aus pudrigem Silber, und kostbare Juwelen lagen herum wie Steine.
    Am dritten Tag erreichten sie eine Stadt mit Türmen und Kuppeln und Gärten, und in der Mitte stand ein prächtiger Palast. Hier begrüßten ihn seine Gastgeber und wuschen ihm die Füße. Er hatte eine Audienz beim König, der perfekt Hebräisch sprach, weise und gelehrt war und ein Abkömmling des Stammes Dan. Er trug Gewänder aus purpurner Seide, und seine Krone war mit Saphiren und Diamanten besetzt. Seine Ratgeber waren allesamt große Gelehrte, und im Palast gab es eine königliche Jeschiwa. Die Studenten dort waren junge Männer von Intelligenz und großer Körperkraft, deren Rennpferde nach berühmten Rabbinern benannt waren.
    Die Kinder wollten mehr hören, und Reb Shalom erzählte ihnen, wie die Stämme friedlich miteinander lebten: dass Reuben der Bruder von Asher war und Gad der Bruder von Naftali. Ihre Häuser waren offen, ohne Schloss und

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