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Das Vermächtnis des Templers

Das Vermächtnis des Templers

Titel: Das Vermächtnis des Templers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Andreas Marx
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zurück. «Und als Krieger musst du dir dieser Zusammenhänge bewusst sein. War es nicht ein Wunder, dass du eine Felswand erklommen hast, die so hoch ist wie zwei Kirchtürme? Als Krieger weißt du, dass es nichts Unmögliches gibt, wenn du Selbstbeherrschung und Selbstvergessenheit zugleich besitzt. Du musst dich zusammennehmen und kontrollieren, und zugleich musst du dich gehen lassen und dich dem Geschehen öffnen. Das ist die Makellosigkeit des Kriegers. Das ist vollendete Aufmerksamkeit.»
    Nachdem sie schweigend ihr Mahl beendet hatten, erhielt Johannes die Aufgabe, sich in der Nähe der Scheune einen Ort zu suchen, an dem er sich besonders wohl fühle. Jacques forderte ihn auf, sich unbedingt Zeit zu lassen, denn die Wahl des Ortes sei sehr wichtig.
    Johannes nahm diese Aufgabe ernst. Tatsächlich machte er zunächst mehrfach die Erfahrung, dass ein unbestimmtes Gefühl ihn immer wieder davon abhielt, an den ausgewählten Stellen zu verweilen. Es war schon dunkel geworden, als er einen Platz gefunden hatte, an dem er sich wirklich wohlfühlte. Nun saß er etwa 20 Schritte vor der Scheune im Gras.
    Jacques kam zu ihm herüber.
«Du hast gut gewählt», sagte er. «Ich werde dich jetzt allein lassen, bis es dunkel geworden ist. Ich werde mich in der Umgebung umsehen und bald zurückkehren. Bis dahin bleib auf deinem Platz. Komm in eine aufrechte Körperhaltung. Entwickle Aufmerksamkeit für dein Aus- und Einatmen. Sprich innerlich ein Wort, das dir sehr wichtig ist. Verbinde den Rhythmus des Wortes mit deinem Aus- und Einatmen. Wenn du abgelenkt bist, bringe dich zurück in deine Ausgangshaltung. Lasse Raum in dir und sei achtsam.»
Johannes hörte nun, wie Jacques sich entfernte. Er blickte ihm nicht nach, sondern begann, sich in die Meditation zu versenken.
Als er ein Geräusch hinter sich vernahm und die Augen öffnete, war es völlig dunkel geworden. So wie es ihm gelungen war, seine Achtsamkeit über eine lange Zeit auf den Atem zu bündeln und sich zu öffnen, gelang es ihm nun, unmittelbar zurückzukehren. Er hörte Jacques hinter sich flüstern.
«Bleib unbedingt in der Achtsamkeit. Schließ die Augen. Höre. Bleib weiterhin völlig frei von verwirrenden Gefühlen. Ich lege dein Schwert rechts neben dich. Bleib ruhig. Wir werden angegriffen. Bleib ruhig. Ich werde neben dir kämpfen. Höre.»
Johannes gelang es, achtsam zu bleiben und seinen Geist leer zu halten. So empfand er die Nachricht eines Angriffs nicht als aufwühlend. Stattdessen lauschte er, die Augen wieder geschlossen, auf das, was da drohte. Es kam von vorn, aber auch von rechts und von links. Es war wie das Vorrücken vieler Krieger, die sich so lautlos vorwärts bewegten, als hätten sie kein Gewicht. Näher und näher hörte Johannes diese Geräusche. Als die Angreifer bis auf wenige Schritte herangekommen waren, trat absolute Stille ein. Er öffnete die Augen und erblickte glühende Lichtpunkte vor sich, zur Rechten und zur Linken.
Wölfe, durchfuhr es ihn. Und zugleich konnte er es nicht verhindern, dass die Angst in ihm aufstieg.
In diesem Moment hörte er das Fletschen und Zischen des Leitwolfs, das von den übrigen Tieren aufgenommen wurde. Johannes spürte, wie sich sein Nacken zusammenzog und die Angst begann, ihn klein werden zu lassen.
«Halt ein», flüsterte es von der Seite. «Fang dich auf. Komm zurück. Kontrolliere deinen Atem. Atme gleichmäßig. Ein. Aus. Ein. Richte deinen Körper auf.»
Jacques‘ Worte fingen die Gefühle des Jungen auf. Johannes hatte gerade zuvor eine lange Zeit völlige Wachsamkeit geübt, und so gelang es ihm, in diesen Zustand zurückzukehren. Bewusst hielt er den leuchtenden Blicken seiner Angreifer stand, wich nicht aus, sondern griff stattdessen zu Boden und nahm das Schwert fest in die Hand. Das Fletschen der Wölfe brach ab. Völlige Stille trat ein. Johannes spürte, dass nun alles in der Schwebe lag. Er führte das Schwert nach vorn und richtete es auf den Leitwolf, bereit zum Kampf.
Johannes wartete, wartete einige Augenblicke. Doch nichts geschah. Dann hörte er erneut vorsichtige, leichte Schritte, die das Gras und den Boden kaum zu berühren schienen. Der Leitwolf bewegte sich erst einige Schritte rückwärts. Als er sicher sein konnte, dass sein Gegner ihn nicht erreichen würde, blieb er stehen, schaute noch einmal zu den beiden Männern, drehte sich um und zog sich lautlos zurück. Das Rudel folgte ihm. Augenblicke später saßen Jacques und Johannes allein vor der Scheune. Sie

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