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Das Vermächtnis des Templers

Das Vermächtnis des Templers

Titel: Das Vermächtnis des Templers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Andreas Marx
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Wasser
gestärkt hatten, gingen sie zu ihrem Schießplatz. Dort stand
nun in etwa dreißig Schritten Abstand eine runde, aus Stroh
geflochtene Scheibe, die wohl einen Durchmesser von drei
Armlängen hatte. Johannes sah, dass die Mitte der Scheibe
schwarz gefärbt worden war.
Jacques nahm zwei Pfeile, vollzog in vollendeter Weise das
Spannen und Loslassen und traf zweimal direkt ins schwarze
Feld der Scheibe. Dann forderte er Johannes auf, es ihm nachzutun, sich ganz wie gewohnt zu bewegen und sich nicht auf
die Scheibe zu konzentrieren.
Obwohl er anfangs mit etwas Zweifel an die Sache ging,
gelangen ihm doch einige in jeder Hinsicht gelungene Schüsse. Er spannte den Bogen ohne jede Anstrengung und ließ die
Sehne los, als würde sie sich von selbst aus seinen Fingern lö
sen. Auch traf er oft die Scheibe, ein wirklicher Treffer gelang ihm jedoch nicht. Dabei hatte er durchaus sein Ziel genau
anvisiert und versucht, sich innerlich mit ihm zu verbinden.
Jacques hatte dies bemerkt und forderte seinen Schüler auf,
ihn noch einmal genau zu beobachten, vor allem in der Phase
des Loslösens.
Er nahm den Bogen auf, und Johannes konnte verfolgen, wie
er den Schuss mit nahezu geschlossenen Augen löste. Fast war
es, als habe er die Scheibe gar nicht anvisiert.
Johannes übte weiter, nun bewusst ohne Blick auf das Ziel,
doch Treffer gelangen ihm nicht. Da die Schüsse selbst sehr gelungen waren, betrübte Johannes das nicht, aber er hatte doch mehr und mehr Zweifel daran, ob es möglich sei, das Ziel zu
treffen, ohne es ins Auge zu fassen.
«Ein Schuss kann auch meisterlich sein, wenn er nicht trifft»,
beruhigte Jacques seinen Schüler. «Der Treffer auf die Scheibe
ist nur eine äußere Bestätigung. Es ist eine weitere Kunst, die
du noch lernen wirst. Es besteht kein Grund zum Zweifel.» «Aber was nützt der beste Schuss, wenn er nicht trifft?»,
fragte Johannes zögernd.
«Das Treffen ist nicht schwierig», erwiderte Jacques. «Wahrscheinlich würde dir das sehr viel schneller gelingen, wenn
du das Bogenschießen auf herkömmliche Weise erlerntest. Es
geht eben nicht darum, dass du triffst, sondern dass du selbstvergessen handelst. Erst wenn dir dies glückt, bist du ein vortrefflicher Krieger, der nahezu unverletzlich und unangreifbar
geworden ist.»
«Dann müsstest du das Ziel mit verbundenen Augen treffen
können», folgerte Johannes, und zugleich tat es ihm leid, diesen
Satz gesagt zu haben, war er doch eine ungehörige Provokation, die er gar nicht beabsichtigt hatte.
Jacques blieb einen Moment still, doch er zeigte sich nicht
verärgert.
«Der selbstvergessene Krieger trifft das Ziel mit verbundenen Augen. Weil er keine Augen nötig hat», antwortete er
dann. «Für einen Menschen, der so viel Ungewöhnliches erlebt
hat, bist du noch immer sehr ungläubig.»
    Am Vormittag hatten sich die Templer noch einmal zur Beratung versammelt. Johannes nutzte die Zeit und begab sich zu jenem Vorsprung, von dem aus man auf den Flussbogen und das mächtige Gebirge blicken konnte. Die Sonnenstrahlen wurden vom Wasser reflektiert und blendeten die Augen. In hellem Weiß erhoben sich die Felsen gen Himmel, umgeben vom Grün der Bäume und Sträucher, ganz so, als wollten sie einem möglichen Angreifer deutlich machen, was ihn auf der anderen Seite des Flusses erwartete, als würden sie gemeinsam mit der gewaltigen Burganlage einen unüberwindbaren Wall bilden.
    Inmitten des Flusses erblickte Johannes erneut die drei kleinen Inseln, die, umgeben von Felsen und Burg, zart und zerbrechlich wirkten.
    Kurze Zeit später schritt Johannes den Weg hinab, auf dem sie vor einigen Tagen die Burg erreicht hatten. So gelangte er nach kurzer Zeit in die kleine Stadt, die von keiner Mauer umgeben war, aber sonst durchaus jenen Städten ähnelte, die er auf seiner Reise kennengelernt hatte. Er kam auf den Markt, wo er nun am Vormittag geschäftiges Treiben beobachten konnte, und bemerkte an einigen Ständen unbekannte Obst- und Gemüsesorten, die offenbar auf den Höfen der Umgebung angebaut wurden. Einer der Stände fand seine besondere Aufmerksamkeit. Hier wurde mit Gewürzen und Kräutern gehandelt. Johannes hielt sich lange dort auf, betrachtete aufmerksam jede Pflanze, nahm die ihm teilweise gänzlich unvertrauten Düfte wahr und wurde bald vom Gewürzhändler angesprochen, doch das Gespräch in fränkischer Sprache konnte nicht über das hinausgehen, was man auch mit Händen und Füßen hätte mitteilen können. Da Johannes kein Geld besaß

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