Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Templers

Das Vermächtnis des Templers

Titel: Das Vermächtnis des Templers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Andreas Marx
Vom Netzwerk:
und auch sonst nichts eintauschen konnte, musste er schließlich davongehen, ohne einige dieser fremden Kräuter mitnehmen zu können.
    Unweit des Marktes gelangte er zur Kirche, die bei weitem nicht die Ausmaße von Jumièges besaß, aber offensichtlich ganz im neuen Stil errichtet worden war. Von außen wirkte dieses Gebäude wie eine einzige, Stein gewordene Bewegung in den Himmel, denn alle tragenden Elemente, alle Ornamente und Verzierungen schienen sich in dieser Ausrichtung zu vereinen. Nachdem Johannes die Kirche betreten hatte, bemerkte er, dass die Innenräume nicht von ungewöhnlicher Höhe waren, wohl aber aufstrebend wirkten, da der Umfang der tragenden Säulen auf ein Weniges beschränkt worden war und – wo immer nur möglich – in den Fassaden der Innen- und Seitenschiffe vielfarbige Glasfenster das Sonnenlicht hereinließen. All dies ließ Johannes glauben, dass das Deckengewölbe nahezu über den Säulen schwebte, sie geradezu emporzog. Gleichzeitig brach sich das Sonnenlicht des Mittags in vielfältiger Farbigkeit in den Fenstern, so dass das Innere der Kirche geheimnisvoll erstrahlte. Johannes hatte die Vierung erreicht und blickte zur Decke empor, wo sich die tragenden Rippen des Gewölbes auf eine strengen Gesetzmäßigkeiten folgende Weise kreuzten und in genau berechnetem Schwunge das Gewicht des Daches auf die schmalen Säulen und die Mauern der Seitenschiffe verlagerten. Doch die Wirkung war dem entgegengesetzt, so als würden die Säulen der Decke Schwerelosigkeit gewähren und die Kraft geradezu aufsteigen lassen. Die Naturgesetze schienen aufgehoben. Wie in jenem Traum, dachte Johannes, der ihn in der Nacht überwältigt hatte. Wie in der meisterlich ausgeführten Kunst des Bogenschießens.
    Auf dem Rückweg zur Burg dachte Johannes vergeblich über den Sinn seines letzten Traumes nach. Doch er war sich sicher, dass gute Mächte ihn hatten träumen lassen, denn er hatte Loccum wiedergesehen, so klar, als wäre es mit der Hand zu greifen. Und auch jetzt, in der Zeit des höchsten Sonnenstandes und der mittäglichen Hitze, meinte er die Kälte des Winters in Loccum aus der Vergangenheit heraus erspüren zu können. Diese Kälte hatte nichts Feindliches in sich gehabt, sondern im Gegenteil den Charakter einer heimatlichen Erinnerung – und diese Empfindung war verbunden mit einer Sehnsucht, die ihn an die Menschen denken ließ, die er so liebte.
    Gegen Mittag verließen sie Château Gaillard mit frischen Pferden und ausreichend Proviant für mehrere Tage. Sie folgten nicht mehr dem Fluss, sondern wandten sich nach Westen und legten auf einem guten, etwa sechs Schritt breiten Weg mitten durch dichten Wald bis zum Abend eine große Strecke zurück. Mehrmals kamen sie an kleinere Flüsse, die aber allesamt nur geringe Strömung hatten, so dass man Furten nutzen konnte. Am Abend tauchte ganz plötzlich vor ihnen zur Rechten des Weges eine Lichtung auf. Johannes erkannte mehrere Häuser, die von einer rechteckigen Steinmauer umgeben waren. An den vier Ecken dieser Mauer erhoben sich kleine Türme, die aber wohl nicht zu Verteidigungszwecken errichtet worden waren, denn sie hatten keine Zinnen und bestanden wie die Mauer aus kleinen Bruchsteinen und Lehm. Fast sah es so aus, als sollten sie das Mauerwerk stützen. Dies war keine Verteidigungsanlage, ging es Johannes durch den Kopf, eher ein großer Bauernhof. Andererseits war die Mauer von einem Wassergraben umgeben, der in einen unmittelbar angrenzenden Weiher mündete. Der Blick auf die Gebäude selbst verwirrte ebenso: Auffällig war ein großes zweistöckiges Steinhaus, das den Mittelpunkt der Anlage zu bilden schien. Kleinere, ebenerdige Gebäude aus Stein und Lehm gruppierten sich entlang der Mauerinnenseiten. Johannes erkannte eine Scheune. Der Eingang zu dieser Anlage befand sich neben einem der Türme. Ein Mann am Tor hatte ihr Kommen beobachtet, öffnete die Pforte, grüßte Jacques, den er zu kennen schien, und ließ sie ins Innere vor. Nun konnte Johannes die Gebäude genauer betrachten, und mit jedem neuen Eindruck gelangte er zu der Überzeugung, dass es sich hier um eine, wenn auch sehr kleine, Klosteranlage handelte. Neben dem ebenerdigen Steinhaus, auf das sie nun zuritten und das wohl das Gästehaus oder Spital sein musste, erkannte er die Schmiede, das Backhaus, einen Speicher und einfache Wohnhäuser aus Lehm für die Handwerker. Etwa die Hälfte der gesamten Fläche war noch einmal durch eine Mauer abgegrenzt.
    Vor dem

Weitere Kostenlose Bücher