Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
und beeilte sich nicht, meine Gedanken zu unterbrechen.
In gewisser Weise war ich überglücklich über die Vorstellung, eine Familie zu haben, doch wie die meisten Menschen, die Schweres durchmachen, traue ich einer guten Nachricht nicht gleich und zerpflücke sie erst einmal, um festzustellen, ob was Wahres daran sei.
»Wie können Sie wissen, wer wir sind, wenn diese ganze Sache Tausende von Jahren zurückliegt?«, fragte ich.
»Für einen Fel sind tausend Jahre gar nichts«, erklärte Doktor Felman. »Ich zum Beispiel bin 3989 Jahre alt. Egil ist mein jüngster Enkel und schon über fünfhundert Jahre. Und außerdem, du hast die Augen von Will Wolfkin, selbst wenn Jahrhunderte dazwischenliegen.«
Doktor Felman drehte sich nach dem Porträt um.
»Ich kannte euren Vorfahr gut. Viele Jahre lang war ich sein Lehrer in Fel-Magie und in etlichen anderen Dingen. Denn genau das bin ich, ein Lehrer. Einer, der die Fel-Magie weitergibt. Und diese Lehrer werden in unserer Welt Hüter der Künste genannt.«
Dann wandte sich Doktor Felman allein an mich.
»Dass du mit diesem unglückseligen Leiden geboren bist, Toby, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit an dem Anteil Fel-Blut in deinem Körper. Vielleicht hilft dir dieses Wissen«, sagte er schnell, wie um die Sache damit aus der Welt zu schaffen.
»Meine Stille, meinen Sie?«, sagte ich leise. In Gedanken hatte ich meinen Zustand immer »meine Stille« genannt. Dieses Wort fand ich viel tröstlicher als die lateinische Bezeichnung. Doktor Felman nickte schwach.
»Wenn es zu einer Verbindung zwischen Fel und Mensch kommt, haben ihre Nachkommen immer etwas … Außergewöhnliches an sich, obwohl niemand weiß, warum. Manchmal ist es etwas Gutes, manchmal etwas Schlechtes. Oft kommt es zu einem totalen Verlust der Körperkräfte oder es tritt Wahnsinn auf. Aber manchmal, Toby … manchmal ist das Fel-Menschenkind über alle Maßen genial. Und wenn die großartigen Fel-Kräfte in ihm aufgebaut werden, wird dieses Kind Dinge vollbringen, an die ein rein menschliches Kind nicht im Traum heranreichen kann.«
Doktor Felman stand an den Kamin gelehnt und sprach in ehrfürchtigem Ton weiter. »Ich bin nach jahrelanger Forschung zu der Überzeugung gelangt, dass kein geringerer als Wolfgang Amadeus Mozart von einem Fel abstammt. Wie auch Lord Byron, William Blake und …«
»Alles völlig unbewiesen«, wandte Professor Elkkin ein, wobei ihre Stimme wie eine Glocke tönte. Die Unterbrechung irritierte Doktor Felman und ich musste fast lachen über seinen Gesichtsausdruck. Er hantierte mit seiner Pfeife, die inzwischen ausgeraucht war. Allmählich wurden mir die zwei alten Exzentriker fast sympathisch.
»Und was ist mit Stephen Hawking?«, sagte ich.
Doktor Felman stopfte seine Pfeife neu, zündete sie an und rauchte. »Ich würde sagen, er ist auch einer von uns, oder was meinen Sie?«, sagte er und sah fragend Professor Elkkin an.
Emma war nicht so leicht zu beeindrucken. Sie stand auf.
»Und weil wir von diesem Fel abstammen, steht uns ein großes Erbe zu?«, sagte sie. Doktor Felman nickte. »Was genau sollen wir also erben?«, fragte sie unverblümt.
Da krempelte Doktor Felman plötzlich seine Hosenbeine hoch und stieg in den Kamin. Er duckte sich und fing an, im Schornstein hochzuklettern. Wir hörten ihn keuchen und mit den Schuhen nach Halt suchen. Professor Elkkin lachte leise in sich hinein, als sie seine lautstarken Bemühungen hörte. Emma und ich sahen zu.
Als der Doktor wieder auftauchte, war sein Gesicht schwarz und seine Kleider voll Lavastaub. Er musste den Rücken krumm machen, um sich, ohne mit den Füßen auf die heiße Lava zu kommen, aus dem Kamin zu winden.
Nachdem er sich den Staub abgewischt hatte, sah ich, dass er eine Rolle in der Hand hielt. Sie steckte in einem Schlauch aus Walrosshaut und war mit roter Schnur zusammengebunden. Er brachte die Rolle zu dem Eichentisch, an dem das Porträt lehnte. Professor Elkkin zündete zwei Kerzen an und forderte Emma und mich auf, zu ihm zu kommen.
Feierlich zog Doktor Felman die Gardinen vor die Fenster und schloss die Tür ab, bevor er anfing, die rote Schnur zu lösen. Jetzt, wo keine Zugluft mehr herrschte, brannten die Kerzenflammen ruhig und gleichmäßig.
»Dieses Dokument ist das Vermächtnis und der letzte Wille von König Will Wolfkin, geschrieben in der Nacht, in der er starb.«
Die Verschnürung war gelöst und Doktor Felman rollte das Dokument langsam und vorsichtig auseinander. Die steife
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